European Commissioner for Health and Consumer Policy
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Teilenteignung von Kleinanlegern durch den griechischen Staat
Sehr geehrter Herr Dalli,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin Inhaber von griechischen Staatsanleihen. Den Nennwert dieser Anleihen hat der griechische Staat nunmehr einseitig um 53,5 % herabgesetzt. Aber auch die rest-lichen 46,5 % des Nennwertes meiner Anleihen habe ich nicht ausbezahlt bekom-men, sondern dafür insgesamt 24 neue Anleihen erhalten, von denen 20 neue grie-chische Staatsanleihen sind, die Laufzeiten bis zum Jahr 2042 haben. Da diese An-leihen auch stark unter dem Nennwert notieren, habe ich bereits jetzt einen Realver-lust von ca. 80 % erlitten.
Hintergrund dieser Enteignung durch den griechischen Staat ist – wie Ihnen sicher-lich bekannt ist – das sog. private sector Involvement (PSI) aus dem Oktober des letzten Jahres. Dabei ging es darum, dass private institutionelle Anleger auf 50 % ih-rer Forderungen gegenüber dem griechischen Staat verzichten. Im Rahmen der Ver-handlungen um die konkrete Ausgestaltung des PSI hat lediglich der internationale Bankenverband (IIF) mit der griechischen Regierung verhandelt. Beteiligt war an die-sen Gesprächen laut Medien auch die sog. Troika (bestehend aus EZB, Europäi-scher Kommission und des IWF). Kleinanleger oder deren Vertreter (z.B. die Schutz-gemeinschaft der Kapitalanleger e.V. - DSW) konnten an den Gesprächen nicht teil-nehmen. Dies erschien auch nicht notwendig, weil es sich um einen freiwilligen Schuldenschnitt handeln sollte und nur die institutionellen Investoren auf ihr Geld teilweise verzichten sollten. Der griechische Staat hat aber im Februar seine Gesetze geändert und die Möglichkeit der Einführung sog. nachträglicher Umschuldungsklau-sen (collective action clauses – CAC) geschaffen. Diese sollen sicherstellen, dass bei Zustimmung einer Mehrheit zu einer Umschuldung auch die Minderheit zur Betei-ligung an der Umschuldung gezwungen werden kann.
Der griechische Staat hat daraufhin über die Einführung der CAC in die nach griechi-schem Recht begebenen Anleihen und den Schuldenschnitt vor allem durch instituti-onelle Anleger abstimmen lassen. Angeblich hat sich eine Mehrheit von ca. 86 % für den Schuldenschnitt und damit die Einführung der CAC ausgesprochen. Aus diesem Grund sind nunmehr auch die Kleinanleger, die entweder überhaupt nicht befragt, abgelehnt oder sich enthalten haben, – wie oben beschrieben – teilweise enteignet worden.
Ich halte das Vorgehen des griechischen Staates und der Troika mit rechtsstaatli-chen Grundsätzen für unvereinbar und sehe insbesondere die Rechte von Verbrau-chern, d. h. Kleinanlegern, massiv verletzt. Zunächst hat der griechische Staat nach-träglich seine Gesetze geändert und damit nachträglich einseitig zu seinen Gunsten in bestehende Verträge (Anleihen) eingegriffen. Es liegt eine Rückwirkung und damit eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes vor. Darüber hinaus dient diese rückwir-kende Gesetzgebung einer Enteignung. Der griechische Staat kann sich bei diesem Vorgehen auch nicht auf einen Staatsnotstand berufen, weil eine solcher bereits per Definition nicht vorliegt. Ein Staatsnotstand bezeichnet einen Zustand drohender Ge-fahr für die öffentliche Ordnung oder die Sicherheit und den Bestand des Staates, der nicht mehr mit üblichen (politisch-administrativen) Mitteln zu bewältigen ist. Zwar gibt es in Griechenland Auseinandersetzungen um die Sparpläne der griechischen Regierung. Von Bürgerkriegszuständen ist der Staat aber (glücklicherweise) noch weit entfernt. Des Weiteren hat der griechische Staat laut Medienberichten Außen-stände bei seinen Bürgern aufgrund nicht beigetriebener Steuern in Höhe von über 40 Milliarden Euro. Diese hätte der griechische Staat zunächst eintreiben müssen, bevor er seine Gläubiger einseitig enteignet. Weiterhin hat der griechische Staat mit der EZB, die ebenfalls Inhaber von Anleihen in Höhe von geschätzten 50 Milliarden Euro ist, eine Sonderegelung getroffen. Die EZB muss am Schuldenschnitt nicht teil-nehmen und hat für eine am 20. März 2012 auslaufende Anleihe laut Medienberich-ten ca. 5 Milliarden Euro erhalten, d.h. den vollen Nennwert der von ihr gehaltenen Anleihen. Auch dies verdeutlicht, dass der griechische Staat zahlungsfähig ist und kein Notstand vorliegt.
Die Bevorzugung der EZB zeigt aber auch, dass hier Anleihegläubiger derselben An-leihe unterschiedlich behandelt werden. Dies verstößt gegen den Gleichheitsgrund-satz und diskriminiert andere Anleger. Der griechische Staat sucht sich nämlich ein-seitig einen Gläubiger heraus, den er bevorzugt, und andere werden enteignet. Die Enteignung der übrigen Anleger fällt auch höher aus, als wenn die EZB beteiligt wor-den wäre. Es ist außerdem zu befürchten, dass weitere Gläubiger bevorzugt worden sind bzw. bevorzugt werden. So soll laut Medienberichten auch ein chinesischer Staatsfond griechische Staatsanleihen im Wert von ca. 10 Milliarden Euro halten. Dieser Fond hatte sich bislang öffentlichkeitswirksam geweigert, am Schuldenschnitt teilzunehmen. Nach der Zwangsumschuldung hat man von diesem Fond und der chinesischen Regierung keine Proteste mehr gehört, so dass der Schluss naheliegt, dass auch hier eine Sonderregelung getroffen worden ist.
Meines Erachtens werden mit dem beschriebenen Verhalten des griechischen Staa-tes die Rechte von Verbrauchern in der EU mit Füßen getreten. Berücksichtigt man nämlich, dass Kleinanleger überhaupt nicht an den Verhandlungen beteiligt waren und nun zwangsweise enteignet werden, so ist dies für mich ein Skandal. Kleinanle-ger wie ich wurden von der Umschuldung völlig überrascht, weil in den Medien im-mer nur von einer Beteiligung institutioneller Anleger die Rede war und an den an-geblichen Verhandlungen auch nur institutionelle und keine Privatanleger beteiligt waren. Von meiner Bank habe ich erst am 28. Februar 2012 ein Schreiben bezüglich des freiwilligen Umtauschangebotes des griechischen Staates mit einer Antwortfrist bis 05.03.2012 erhalten. In der Kürze der Zeit war eine sachgerechte Auseinander-setzung mit der Materie nicht möglich, zumal die Bank selbst in dem übermittelten Schreiben ausdrücklich auf die „Komplexität“ des Umtauschangebotes hinwies. Dar-über hinaus war eine sachgerechte und fristgerechte Auseinandersetzung auch des-halb nicht möglich, weil die umfangreichen Unterlagen, auf die die Bank nur verwies und die dem Angebot nicht beigefügt waren, im Internet nur auf griechisch und eng-lisch verfügbar waren. Schließlich zeigten auch die inhaltlich differierenden und mit unterschiedlichen Antwortvarianten versehenen Schreiben der verschiedenen Ban-ken, dass offensichtlich auch in diesen Fachkreisen überhaupt nicht klar war, über was Verbraucher konkret abstimmen konnten. Ich habe deshalb auf das freiwillige Angebot nicht reagiert.
Die gesamte Umschuldung des griechischen Staates ist und war von Anfang an auf institutionelle Anleger zugeschnitten. Dies zeigen auch die 24 Anleihen, die ich für eine Anleihe erhalten habe. Zum einem muss ich als Kleinanleger erhebliche Ver-kaufsgebühren für diese zahlen, sodass die Umschuldung mich letztlich 90 % oder sogar mehr meines eingesetzten Kapitals kosten wird. Für Kleinanleger wären ma-ximal 5 neue Anleihen sinnvoll gewesen. Zum anderen kann ich als Kleinanleger mit Anleihen, die teilweise erst im Jahr 2042 fällig werden, wenig bis nichts anfanden. Es ist bereits zweifelhaft, ob ich zu diesem Zeitpunkt noch leben werde. Weiterhin haben alle – außer den Kleinanlegern – eine Kompensation für die Umschuldung erhalten. Die EZB wird – wie ausgeführt – voll entschädigt, weil sie an der Umschuldung nicht teilnimmt. Sie macht sogar auf Kosten der übrigen Anleger Gewinn, weil sie ihre An-leihen unter par erworben hat. Die Banken bekommen derzeit von der EZB Geld zu einem Zinssatz von 1 % geliehen, dass sie wieder in europäische Staatsleihen mit dreiprozentiger Verzinsung oder mehr anlegen können. Aufgrund des zeitlichen Zu-sammentreffens von Umschuldung und Bereitstellung des Geldes durch die EZB ist von einem Zusammenhang auszugehen. Hedgefonds haben aufgrund der ausgelös-ten Kreditausfallversicherungen ebenfalls keinen Schaden erlitten.
Eine derartige Verbraucherbenachteiligung von Kleinanlegern in der EU kann nach meinem Rechtsverständnis nicht zulässig sein. Ich bitte Sie daher, den Sachverhalt zu prüfen und zugunsten der Verbraucher tätig zu werden, zumal Verbraucher nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten EU betroffen sind. Verbraucher aus anderen EU-Staaten, etwa Österreich, sind im Übrigen zur Umschuldung nicht ein-mal befragt worden.
Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass es sich bei uns Kleinanlegern nicht um „Zocker“ oder „Trittbrettfahrer“ handelt, wie es teilweise von der Politik behauptet wird. Ich habe beispielsweise bereits im Frühjahr 2010 griechische Staatsanleihen zu Kursen von 100 % des Nennwertes erworben, weil ich das Geld sicher für meine Al-tersvorsorge anlegen wollte. Mir ging es nicht um Kursgewinne, sondern um die Zin-sen. Ich wollte die Anleihen auch bis zur Endfälligkeit im Jahr 2015 halten. Ich habe damals der EU und den Beteuerungen der Politik vertraut, die einen Bankrott des griechischen Staates ausgeschlossen haben.
Sollten Sie für mein Anliegen nicht zuständig sein, bitte ich Sie, dieses Schreiben an den zuständigen Kommissar weiterzuleiten. Im Übrigen habe ich mich heute mit ei-nem ähnlichen Schreiben als Petition an das Europäische Parlament gewandt.
Mit freundlichen Grüßen
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