Neue Milliardenlöcher in Athen Ringen um die nächste Griechen-Rettung
Von Florian Diekmann
Hamburg/Berlin - Mario Draghi
versprühte bei seiner Visite in Berlin Zuversicht. "Wir haben
zahlreiche Gründe, optimistisch darüber zu sein, wohin sich der Euro
entwickelt", sagte der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittag
bei einer Veranstaltung des Bundesverbands der Deutschen Industrie.
Zuvor hatte er die Gelegenheit genutzt, um Kanzlerin Angela Merkel
(CDU) einen Besuch abzustatten - und es ist eher unwahrscheinlich, dass
es ein entspanntes Gespräch war. Denn in den vergangenen Tagen hat sich
Griechenland erneut zum Brandherd in der Euro-Zone entwickelt.
Dem Land fehlt offenbar weitaus mehr Geld als bislang befürchtet.
Finanzminister Yannis Stournaras sagte am Dienstag, das Land benötige 13
bis 15 Milliarden Euro, sollte die Frist zur Einhaltung seiner
Defizitziele um zwei Jahre verlängert werden - und zwar zusätzlich zu
der bereits bekannten Finanzierungslücke von 13,5 Milliarden Euro, die
in den Haushalten für die kommenden zwei Jahre klafft.
Gut möglich, dass die Zahlen sogar noch höher ausfallen werden.
Derzeit prüft die Troika aus Vertretern von EU-Kommission, Europäischer
Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) die Fortschritte Griechenlands. Nach Informationen des SPIEGEL beziffert die Troika nach derzeitigem Kenntnisstand bereits den aktuellen Fehlbetrag in Athen auf 20 Milliarden Euro.
Gäbe man Griechenland bei seinem Sparkurs zudem wie gefordert zwei
Jahre mehr Zeit, würden weitere 20 Milliarden Euro fällig. Hohe
EU-Diplomaten und Vertreter europäischer Notenbanken rechnen einem
Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge mit einem Fehlbetrag von rund
30 Milliarden Euro.
Ein Euro-Austritt Griechenlands ist keine Option mehr
Fest steht jedenfalls: Das Loch in Griechenlands Kassen ist gewaltig - und die Euro-Retter müssen schnell Wege finden, diese Lücke zu schließen. Denn nur dann darf streng genommen die nächste Tranche von 31 Milliarden Euro aus dem bereits beschlossenen 130-Milliarden-Hilfspaket an die Regierung in Athen ausbezahlt werden. Würden die Euro-Partner und der IWF Griechenland dies aber verweigern, stürzte das Land unkontrolliert in die Zahlungsunfähigkeit - und müsste die gemeinsame Währung wohl verlassen.
Ein Euro-Austritt Griechenlands ist aber sowohl für die deutsche als auch für die französische Regierung keine Option. Zu groß ist die Angst vor den unberechenbaren Folgen für den Rest des Währungsraums. Merkel hatte sich spätestens Ende August auch öffentlich festgelegt, als sie den Besuch des Athener Regierungschefs Antonis Samaras Ende August dazu nutzte, um sich klar für einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone auszusprechen.
Daher halten sich jetzt sogar jene in der schwarz-gelben Koalition auffallend zurück, die noch vor wenigen Wochen lautstark das Euro-Aus für Griechenland favorisierten. Damals, als der bekannte Fehlbetrag in Athen mit rund elf Milliarden Euro noch einen Bruchteil der jetzt kursierenden Beträge ausmachte, hatte FDP-Chef und Vizekanzler Philipp Rösler kühl festgestellt, ein Euro-Austritt Griechenlands habe seinen Schrecken für ihn und seine Partei verloren.
Auch Rösler sprach am Dienstag auf der gleichen BDI-Veranstaltung wie Draghi - doch nun, da es wirklich ernst wird, verkniff er sich derartige Aussagen. Den Problemfall Griechenland erwähnte er nur indirekt, als er die von der EZB angekündigten Anleihekäufe - die vor allem Spanien zugutekommen würden - kritisierte. Es sei gefährlich, einen Anleihenankauf in dem einen Land anzukündigen und einen Schuldenschnitt in einem anderen Land zu diskutieren, sagte Rösler. Ein solcher Weg schade dem Vertrauen in die Euro-Zone.
Kreative Tricks sind gefragt
Aus der CSU waren im Sommer gar noch markigere Töne zu vernehmen. Generalsekretär Alexander Dobrindt prophezeite, die Griechen würden bereits im kommenden Jahr nicht mehr im gemeinsamen Währungsraum sein. Und sein Parteifreund und bayerische Finanzminister Markus Söder sprach davon, zur Not müsse man die Seilschaft mit Griechenland kappen. Seitdem haben die Christsozialen, allen voran Parteichef Horst Seehofer, ihre Rhetorik massiv abgerüstet. Stattdessen verweisen sie immer wieder auf den Troika-Bericht, den man abwarten müsse, um weitere Schritte ins Auge zu fassen. Der aber ist nicht vor Mitte Oktober zu erwarten, gut möglich, dass er erst nach der US-Wahl am 6. November vorliegen wird.
Ebenso wenig wie ein Austritt Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung kommt für die Euro-Retter aber in Frage, nach dem ersten und zweiten nun noch ein drittes milliardenschweres Hilfspaket zu schnüren. Erneut würden dann die Euro-Staaten zur Kasse gebeten, Nachtragshaushalte müssten erstellt und von den nationalen Parlamenten abgesegnet werden.
Gefragt sind nun also kreative Tricks, Griechenland trotzdem bald die nächste Tranche von 31 Milliarden Euro auszahlen zu können. Wie ein solches Szenario aussehen könnte - daran wird hinter den Kulissen offenbar bereits intensiv gearbeitet.
Eine Schlüsselrolle in einem solchen Rettungsplan würde dabei Draghis EZB einnehmen. Der griechische Vize-Finanzminister Christos Staikouras brachte am Dienstag unter anderem die Möglichkeit ins Spiel, die Laufzeit jener griechischen Staatsanleihen zu verlängern, die von der EZB gehalten werden und in den Jahren 2013 bis 2016 auslaufen. Deren Volumen beläuft sich demnach auf 28 Milliarden Euro. Das würde den internationalen Geldgebern ermöglichen, Griechenland zwei Jahre mehr Zeit einzuräumen, um seine Defizitziele zu erreichen.
Zwar lehnte die EZB umgehend ab, auch nur teilweise auf ihre
Forderungen gegenüber Griechenland zu verzichten. Eine Umschuldung auf
Kosten der EZB stehe nicht zur Diskussion, sagte Direktoriumsmitglied
Jörg Asmussen der "Welt". Ob aber die von Staikouras angeregte
Verlängerung der Anleihe-Laufzeiten auch tatsächlich als das eingestuft
wird, was sie im technischen Sinne ist - eine Umschuldung - ist unklar.
Würde sich die EZB zu einer solchen Lösung durchringen, würden die
Euro-Retter eine Wette auf die Zukunft eingehen: Geht alles gut, käme
Griechenland durch den gewährten Aufschub wirtschaftlich schneller auf
die Beine und bräuchte tatsächlich nicht mehr Geld als bislang zugesagt.
Wenn nicht, würde ein neues milliardenschweres Hilfspaket unumgänglich.
Zumindest hätte man sich genug Zeit verschafft, um das Thema aus dem
Bundestagswahlkampf herauszuhalten - eine Entscheidung müsste dann erst
die neue Bundesregierung fällen.
Ob sich allerdings der IWF an einem weiteren Paket beteiligen würde, ist unsicher. In der vergangenen Woche hatte ein Vertreter geäußert, der IWF hätte seine Möglichkeiten erschöpft, neue Kosten müssten die Europäer in voller Höhe selbst übernehmen. Schon am Mittwoch haben Kanzlerin Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble Gelegenheit, das im persönlichen Gespräch zu erörtern - IWF-Chefin Christine Lagarde hat sich zum Besuch in Berlin angekündigt.
Mitarbeit: Philipp Wittrock. Mit Material von Reuters und dpa. ANZEIGE
Ein Euro-Austritt Griechenlands ist keine Option mehr
Fest steht jedenfalls: Das Loch in Griechenlands Kassen ist gewaltig - und die Euro-Retter müssen schnell Wege finden, diese Lücke zu schließen. Denn nur dann darf streng genommen die nächste Tranche von 31 Milliarden Euro aus dem bereits beschlossenen 130-Milliarden-Hilfspaket an die Regierung in Athen ausbezahlt werden. Würden die Euro-Partner und der IWF Griechenland dies aber verweigern, stürzte das Land unkontrolliert in die Zahlungsunfähigkeit - und müsste die gemeinsame Währung wohl verlassen.
Ein Euro-Austritt Griechenlands ist aber sowohl für die deutsche als auch für die französische Regierung keine Option. Zu groß ist die Angst vor den unberechenbaren Folgen für den Rest des Währungsraums. Merkel hatte sich spätestens Ende August auch öffentlich festgelegt, als sie den Besuch des Athener Regierungschefs Antonis Samaras Ende August dazu nutzte, um sich klar für einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone auszusprechen.
Daher halten sich jetzt sogar jene in der schwarz-gelben Koalition auffallend zurück, die noch vor wenigen Wochen lautstark das Euro-Aus für Griechenland favorisierten. Damals, als der bekannte Fehlbetrag in Athen mit rund elf Milliarden Euro noch einen Bruchteil der jetzt kursierenden Beträge ausmachte, hatte FDP-Chef und Vizekanzler Philipp Rösler kühl festgestellt, ein Euro-Austritt Griechenlands habe seinen Schrecken für ihn und seine Partei verloren.
Auch Rösler sprach am Dienstag auf der gleichen BDI-Veranstaltung wie Draghi - doch nun, da es wirklich ernst wird, verkniff er sich derartige Aussagen. Den Problemfall Griechenland erwähnte er nur indirekt, als er die von der EZB angekündigten Anleihekäufe - die vor allem Spanien zugutekommen würden - kritisierte. Es sei gefährlich, einen Anleihenankauf in dem einen Land anzukündigen und einen Schuldenschnitt in einem anderen Land zu diskutieren, sagte Rösler. Ein solcher Weg schade dem Vertrauen in die Euro-Zone.
Kreative Tricks sind gefragt
Aus der CSU waren im Sommer gar noch markigere Töne zu vernehmen. Generalsekretär Alexander Dobrindt prophezeite, die Griechen würden bereits im kommenden Jahr nicht mehr im gemeinsamen Währungsraum sein. Und sein Parteifreund und bayerische Finanzminister Markus Söder sprach davon, zur Not müsse man die Seilschaft mit Griechenland kappen. Seitdem haben die Christsozialen, allen voran Parteichef Horst Seehofer, ihre Rhetorik massiv abgerüstet. Stattdessen verweisen sie immer wieder auf den Troika-Bericht, den man abwarten müsse, um weitere Schritte ins Auge zu fassen. Der aber ist nicht vor Mitte Oktober zu erwarten, gut möglich, dass er erst nach der US-Wahl am 6. November vorliegen wird.
Ebenso wenig wie ein Austritt Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung kommt für die Euro-Retter aber in Frage, nach dem ersten und zweiten nun noch ein drittes milliardenschweres Hilfspaket zu schnüren. Erneut würden dann die Euro-Staaten zur Kasse gebeten, Nachtragshaushalte müssten erstellt und von den nationalen Parlamenten abgesegnet werden.
Gefragt sind nun also kreative Tricks, Griechenland trotzdem bald die nächste Tranche von 31 Milliarden Euro auszahlen zu können. Wie ein solches Szenario aussehen könnte - daran wird hinter den Kulissen offenbar bereits intensiv gearbeitet.
Eine Schlüsselrolle in einem solchen Rettungsplan würde dabei Draghis EZB einnehmen. Der griechische Vize-Finanzminister Christos Staikouras brachte am Dienstag unter anderem die Möglichkeit ins Spiel, die Laufzeit jener griechischen Staatsanleihen zu verlängern, die von der EZB gehalten werden und in den Jahren 2013 bis 2016 auslaufen. Deren Volumen beläuft sich demnach auf 28 Milliarden Euro. Das würde den internationalen Geldgebern ermöglichen, Griechenland zwei Jahre mehr Zeit einzuräumen, um seine Defizitziele zu erreichen.
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Ob sich allerdings der IWF an einem weiteren Paket beteiligen würde, ist unsicher. In der vergangenen Woche hatte ein Vertreter geäußert, der IWF hätte seine Möglichkeiten erschöpft, neue Kosten müssten die Europäer in voller Höhe selbst übernehmen. Schon am Mittwoch haben Kanzlerin Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble Gelegenheit, das im persönlichen Gespräch zu erörtern - IWF-Chefin Christine Lagarde hat sich zum Besuch in Berlin angekündigt.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/euro-krise-finanzluecken-in-griechenland-erfordern-neuen-rettungsplan-a-857912.html
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