1. Kapitel: Grundlagen des Rechts der indirekt gehaltenen Wertpapiere
Diese Lücke haben die deutschen Banken mit der Einführung der sog. Gutschrift
in Wertpapierrechnung, geregelt in Nr. 12 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte,
geschlossen."2 Erwirbt die Bank Wertpapiere im Ausland bzw. verwahrt
sie Wertpapiere im Ausland, verschafft sie dem Kunden nach pflichtgemäßem
Ermessen unter Wahrung seiner Interessen das Eigentum oder Miteigentum
an den Wertpapieren oder eine andere im Lagerland übliche, gleichwertige Rechtsstellung
und hält diese Rechtsstellung treuhänderisch für den Kunden. Hierüber
erteilt sie dem Kunden eine Gutschrift in Wertpapierrechnung unter Angabe des
Lagerlandes der Wertpapiere.113
Das (fiduziarische) Treuhandverhältnis basiert auf dem Geschäftsbesorgungsvertrag
nach § 675 BGB zwischen Depotbank und Kunde, aus welchem dem Kunden
nach 55 667, 675 BGB ein Anspruch auf Herausgabe einer seinem Anteil am Gesamtbestand
der im Ausland verwahrten Wertpapiere entsprechenden Anzahl von
Wertpapieren sowie der hierauf entfallenden Erträge zusteht.114 Er stellt die
rechtliche Grundlage der Gutschrift in Wertpapierrechnung dar. Sind mehrere
Kunden an einem ausländischen Wertpapierbestand beteiligt, sind sie als schlichte
Teilgläubiger anzusehen (§420 BGB).115 Im Gegensatz zur Sammelverwahrung
nach §5 Abs. 1 S. 1 DepotG hält der Bankkunde also keinen Miteigentumsanteil
am Wertpapiersammelbestand (§6 DepotG), sondern hat lediglich einen schuldrechtlichen
Anspruch gegen seine Bank. Als Treugeber ist der Bankkunde jedoch
grundsätzlich in einer von Dritten gegen den Treuhänder eingeleiteten Zwangsvollstreckung
nach § 771 ZPO geschützt und kann in der Insolvenz des Treuhänders
ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO geltend machen.116
Zusätzlich abgesichert wird die Position des Bankkunden durch die sog. Drei-
Punkte-Erklärung:117 Darin bestätigt der ausländische Verwahrer der deutschen
112 Die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte sind ihrer Natur nach Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Weil man schon 1960 bei Einführung der Sonderbedingungen für Auslandsgeschäfte
in Wertpapieren, die Anfang 1995 in die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte
integriert wurden, davon ausging, dass wegen der fortschreitenden internationalen Entwicklung in
diesem Bereich häufiger als bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen Änderungen erforderlich
sein würden, verzichtete man auf eine Eingliederung in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Banken. Näher Heinsius/Horn/Than, DepotG. §22 Rn. 25; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht,
Rn. 11.292.
113 Vgl. Nr. 12Abs.3SB-VVP.
114 Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 11.299; ausführlich MünchKommHGB-Emsde,
Depotgeschäft, Rn. 188 ff.
115 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 11.308 f.
116 Vgl. MünchKommHGB-E/nie/e, Depotgeschäft, Rn. 194. Problematisch ist die Konstruktion
der Gutschrift in Wertpapierrechnung im Hinblick auf das von der Rechtsprechung aufgestellte
sog. Unmittelbarkeitserfordernis, wonach das Vermögen des Treugebers aus dessen Hand in die des
Treuhänders gelangt sein muss, um vom Schutz der § 771 ZPO bzw. § 47 InsO zu profitieren (vgl.
etwa BGHZ 11, 37, 41; BGH, WM 1993, 1524). Bei den Gutschriften in Wertpapierrechnungen ist
das gerade nicht der Fall. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung ihre zu
Anderkonten entwickelte Ausnahme vom Unmittelbarkeitserfordernis (BGH NJW 1954, 190, 191)
auf die Gutschriften in Wertpapierrechnung überträgt. Gesichert ist das freilich nicht, weshalb
teilweise ein Tätigwerden des Gesetzgebers gefordert wird, um einen rechtssicheren Schutz des
Depotkunden in der Insolvenz der Bank zu gewährleisten, vgl. Einsele, WM 2005, 1109, 1115.
117 Abgedruckt bei Kümpel, BuB, Rn. 8/183; siehe auch Nr. 64 Abs. 2 AGB-CBF.
Bank erstens, dass er davon Kenntnis hat, dass die verwahrten Wertpapieren den
Kunden der deutschen Bank zustehen. Damit soll dem Fall vorgebeugt werden,
dass im Land des Verwahrers keine der Fremdvermutung nach §4 Abs. 1 S. 1 DepotG
vergleichbare Regelung existiert.118 Zweitens verpflichtet sich der ausländische
Verwahrer, Pfand-, Zurückbehaltungs- und ähnliche Rechte an den Forderungen
in dem jeweiligen Depot nur wegen Forderungen geltend zu machen, die
sich aus der Anschaffung, Verwaltung oder Verwahrung der Wertpapiere ergeben,
und die deutsche Bank unverzüglich zu benachrichtigen, wenn Dritte in die Wertpapiere
vollstrecken sollten.119 Schließlich und drittens muss der ausländische
Verwahrer zusichern, dass die Wertpapiere an einem Ort innerhalb der Grenzen
des jeweiligen Landes des Verwahrers von ihm selbst verwahrt werden. Nur mit
Zustimmung der deutschen Bank dürfen die Wertpapiere Dritten anvertraut oder
in ein anderes Land verbracht werden. Schützt allerdings die Rechtsordnung im
Land des ausländischen Verwahrers nicht gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
von Gläubigern der inländischen Depotbank, wird die inländische Depotbank
einen entsprechenden Vorbehalt des ausländischen Verwahrers akzeptieren.120
Entsprechend den Verwahrstrukturen im Rahmen der inländischen oder der internationalisierten
Sammelverwahrung nach §5 Abs. 1 bzw. Abs. 4 DepotG können
auch bei der Auslandsverwahrung nach § 22 Abs. 1 DepotG weitere Intermediäre
in die eben beschriebene Konstellation einbezogen werden. In diesem Zusammenhang
sind primär die in Frankfurt ansässige deutsche Wertpapiersammelbank CBF
und die internationalen Zentralverwahrer CBL in Luxemburg und Euroclear in
Brüssel zu nennen. So kann die inländische Depotbank des Anlegers die CBF damit
beauftragen, für sie im Ausland die entsprechenden Wertpapiere anzuschaffen
und verwahren zu lassen.121 Die CBF hält ihre Berechtigung an den im Ausland
verwahrten Wertpapieren dann treuhänderisch für die Depotbank im Inland,122
welche die von der CBF vermittelte Rechtsposition wiederum treuhänderisch für
ihren Kunden hält. Es kommt also zu einem zweistufigen Treuhandverhältnis mit
der CBF als Treuhänderin erster Stufe und der Depotbank als Treuhänderin zweiter
Stufe.123 Werden im Inland noch weitere Intermediäre zwischengeschaltet, erhöht
sich die Zahl der Stufen dieser Treuhandkonstruktion entsprechend.
Auch die ICSDs haben die Drei-Punkte-Erklärung abgegeben, allerdings in modifizierter
Form, da sie, wie bereits ausgeführt, als reine Buchungsstellen selbst keine
118 Kumpel, BuB, Rn. 8/173.
119 Diese Bestätigung ist gemäß Nr. 3 Abs. 4 S. 1 der Amtlichen Anforderungen an das Depotgeschäft
zwingend erforderlich, vgl. Kumpel, BuB, Rn. 8/174.
120 Kumpel, BuB, Rn. 8/175; zu den besonderen Ausgestaltungen für einzelne Länder ebenda,
Rn. 7/100 ff.
121 Vgl. Nr. 12 Abs. 2SB-WP.
122 Vgl. Nr. 8 Abs. 2 AGB-CBF. Gemäß Nr. 65 Abs. 2 AGB-CBF behält sich CBF vor, in die Auslandsverwahrung
Zwischenverwahrer einzuschalten, deren Heimatland dann zusätzlich zu dem
Land, in dem die Wertpapiere tatsächlich gelagert werden, als Lagerland genannt wird. Als Zwischenverwahrer
dürfte wegen der gemeinsamen Zugehörigkeit zur Gruppe Deutsche Börse vor allem
der internationale Zentralverwahrer CBL in Betracht kommen. Dazu sogleich im Text.
123 Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 11.328.
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Wertpapiere verwahren, sondern sich hierfür ausländischer Verwahrstellen bedienen.
In Ziffer drei der Drei-Punkte-Erklärung werden daher in ihrem Fall die ausländischen
Lagerstellen der Wertpapiere aufgelistet, die ihrerseits gegenüber CBL
bzw. Euroclear eine der Drei-Punkte-Erklärung entsprechende Bestätigung abgeben
müssen.
124
aus Ege, Das Kollisionrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere
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