Eugene FamaDer Markt weiß alles
Eugene Fama hat die Theorie vom effizienten Markt erfunden. Von Finanzblasen will er nichts hören. Das überzeugt nicht jeden. Nur in einem Punkt stimmen ihm auch seine größten Kritiker zu.
09.08.2014, von PATRICK BERNAU
Als Eugene Fama seinen Nobelpreis dann doch noch bekam, war die Überraschung groß. Dann hatte auch niemand mehr damit gerechnet. Dabei hatte Eugene Fama die Weltsicht auf Finanzmärkte grundlegend umgewälzt: 1970 hatte er seine Theorie der effizienten Märkte vorgestellt. Jahrzehntelang dominierte seine Idee die Finanzwelt und die Wirtschaftslehre: Märkte sind effizient, alle verfügbaren Informationen sind in den Preisen schon enthalten.
Doch dann kamen die New-Economy-Blase und die große Finanzkrise. Kaum jemand fand die Welt von Banken und Börsen noch effizient. Eugene Fama und seine These schienen von der Zeit überholt. Und dann, ausgerechnet dann, bekommt Fama den Preis doch noch– zusammen mit seinem ärgsten Kritiker, dem Verhaltensökonomen Robert Shiller, der schon mehrfach vor Blasen gewarnt hat und gar nicht so selten richtig lag.
So etwas kann Fama richtig fuchsig machen, so ein Blasen-Gerede. Dabei wirkt Fama eigentlich ganz umgänglich. Mit dem Klischeebild des herzlosen Kapitalisten jedenfalls hat er wenig gemein, wenn er selbst auf offiziellen Fotos der Universität Chicago ein kurzärmliges buntes Hemd trägt, wenn er sein Nobelpreis-Geld der Universität stiften will und wenn er mit seinem intellektuellen Gegner Richard Thaler, einem großen Verfechter der Verhaltensökonomik, regelmäßig golfen geht. Doch wenn es um Blasen geht, ist Fama hart. Das angesehene Wirtschaftsmagazin „Economist“ hat er während der Finanzkrise abbestellt, als ihm das B-Wort darin zu oft vorkam.
„Es gibt keine Blasen“
„Es gibt keine Blasen“, sagt er immer wieder – auch in Interviews mit F.A.S. undF.A.Z. Aber Kurse brechen doch ständig zusammen? Stört nicht, Übertreibungen können vorkommen. Und was ist mit der großen Finanzkrise? Die wurde nach Famas Interpretation nicht von verrückten Börsen ausgelöst. Erst kam die Rezession, dann gingen Amerikas Hausbesitzer pleite. Aber dass es überhaupt so viele Kredite gab, ist doch nicht effizient? Mag sein, entgegnet Fama, aber daran sind nicht die Märkte schuld, sondern die Politiker. Schließlich haben sie mit Gesetzen und halbstaatlichen Banken voller Absicht dafür gesorgt, dass auch arme Leute Kredit für ein Haus bekommen haben.
Dass die Probleme kaum jemand vorhergesehen hat, stört Fama nicht. „Blasen beinhalten, dass Preise hochgehen und dass man vorhersehen kann, wann sie wieder heruntergehen. Aber Leute haben versucht zu prognostizieren, wann die Preise wieder heruntergehen. Und es gibt keinen Beweis, dass sie es können.“
Die Börse ist unerklärlich? Das ist der Kern von Famas These
Tatsächlich: Wenn man einmal darüber hinwegsieht, was Vulgärökonomen in Famas „Hypothese effizienter Märkte“ alles hineininterpretiert haben, und sich stattdessen Famas Studie zur „Hypothese effizienter Märkte“ genau anguckt, dann ergibt sich ein ganz anderes Bild: eines, das auch nach vielen Kursabstürzen und Finanzkrisen zumindest grob passt. Dass die Kursbewegungen an der Börse unerklärlich und nicht vorherzusagen sind, ist kein Widerspruch zu Famas These – sondern genau ihr Kern.
In ihrer stärksten Form lautet die Effizienzmarkt-Hypothese: Börsenkurse und Preise umfassen alle verfügbaren Informationen, selbst die, die nur wenige Investoren haben. Die Idee dahinter ist folgende: Sobald Investoren eine Information haben, können sie entsprechend handeln. Wer weiß, dass die Preise zu niedrig sind, der kauft, also trägt er zur Preissteigerung bei. Wenn aber dank diesem Mechanismus alle verfügbaren Informationen schon in den Preisen stecken, dann kann niemand eine Information darüber haben, wie sich die Preise künftig entwickeln– die Preise entwickeln sich dann auf der Grundlage der nächsten Informationen, die jetzt noch niemand hat. Also sind auch die Börsenkurse unberechenbar. Wie es weitergeht, wirkt komplett zufällig.
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Nicht zur Effizienzmarkt-Hypothese gehört dagegen, dass die Märkte genau wüssten, was die Zukunft bringt. Wenn kein Mensch erahnt, dass die Preise von Immobilien oder die Kurse von Aktien schon zu hoch sind, dann ist diese Information nicht verfügbar, und sie kann auch nicht in den Börsenkursen stecken. Das entscheidende an der Effizienzmarkt-Hypothese ist: Es gibt niemanden, der zuverlässig besser informiert ist als die Finanzmärkte.
Dagegen richtet sich auch der Widerspruch von Famas Mit-Nobelpreisträger Robert Shiller. Er will einen Weg gefunden haben, Börsenkurse doch vorherzusagen, und zwar indem er sie ins Verhältnis zu den langfristigen Gewinnen der Unternehmen setzt. Vor dem Kurssturz der New Economy und dem Einbruch der amerikanischen Immobilienpreise hat Shiller früh gewarnt. Aber auch Robert Shiller liegt nicht zwangsläufig immer richtig. Wie so viele Leute hat auch er mitten in der Finanzkrise vor langfristigen Staatsanleihen gewarnt, schon allein wegen der Inflationsgefahr. Fünf Jahre ist das jetzt her. Wer diese Warnung damals ignoriert hat, ist bislang gar nicht so schlecht gefahren und bekommt sein Geld aus den Staatsanleihen demnächst zurück. Aber auch das weiß Robert Shiller: Selbst wenn man im Gefühl hat, dass die Preise zu hoch oder zu niedrig sind – ob und vor allem wann die Wende kommt, weiß man nicht.
Und da sind dann wieder selbst die Verhaltensökonomen einer Meinung mit Eugene Fama: Wenn Privatanleger ihr Geld sicher anlegen wollen, dann kaufen sie am besten Indexfonds. Diese beliebte Geldanlage ist eine direkte Anwendung der Effizienzmarkt-Hypothese: Wenn keiner weiß, wie es mit der Börse weitergeht, dann können auch Fondsmanager nichts ausrichten. Tatsächlich gibt es kaum Fondsmanager, die dauerhaft besser sind als Indexfonds, jedenfalls nicht mehr, als Zufall und Glück erwarten lassen. Indexfonds empfehlen auch Verhaltensökonomen – so effizient finden selbst sie die Börsen.
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