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Freitag, 18. September 2015

Nach Ansicht von Bankenverbandspräsident Patrick Odier ist der Aufmarsch der sogenannten Fintech-Unternehmen für einige Banken durchaus eine Bedrohung. „Vor allem aber liegt darin die Chance, sich auf eine neue Art weiterzuentwickeln und zu wachsen“, sagt Odier

FinanzinstituteSchweizer Banken im Wettlauf gegen die Zeit

Nach dem Ende des Bankgeheimnisses müssen die eidgenössischen Institute um die Gunst der Kunden hart kämpfen. Dabei spielt die Digitalisierung eine große Rolle.

© FABIAN FIECHTERTradition trifft Innovation: Die Schweizer Bankenwelt wird durch die Digitalisierung herausgefordert.
Im Kampf gegen Steuerhinterziehung hat das Schweizer Parlament in dieser Woche eine weitere wichtige Etappe genommen. Die Abgeordneten in Bern stimmten mehrheitlich dafür, den automatischen Informationsaustausch (AIA) einzuführen. Gemäß diesem Standard, dem von 2018 an mehr als 100 Länder folgen wollen, werden umfassende Kontodaten aus dem Ausland automatisch an die Steuerbehörden des Heimatlandes des Kontoinhabers weitergeleitet. Damit ist das Ende des steuerlichen Bankgeheimnisses, das den Schweizer Banken einst Milliarden an Schwarzgeld und traumhafte Erträge brachte, endgültig besiegelt.
Für die meisten Kunden aus Europa und Amerika ist das ohne Folgen. Unter internationalem Druck und befeuert durch den umstrittenen Verkauf von internen Bankdaten an deutsche Steuerbehörden haben sich die Schweizer Banken zuletzt in großem Stil von offenkundig steuerunehrlichen Kunden aus dem Ausland getrennt. Von Kunden aus Deutschland, Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten liege praktisch kein unversteuertes Geld mehr in der Schweiz, beteuert Claude-Alain Margelisch, Geschäftsführer der Schweizerischen Bankiervereinigung.
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Ob diese Steuertransparenz künftig auch für einheimische Bankkunden in der Schweiz hergestellt wird, steht indes in den Sternen. Der Banker und konservative SVP-Politiker Thomas Matter hat eine Volksinitiative „zum Schutz der Privatsphäre“ auf den Weg gebracht. Diese hat zum Ziel, das Bankgeheimnis in der Bundesverfassung zu verankern. Die meisten Schweizer Banken sind jedoch dagegen. Sie befürchten ein kompliziertes Nebeneinander unterschiedlicher Standards, höhere Kosten und verschärfte Haftungspflichten, falls das Schweizer Volk die Initiative annimmt. Der Bankenverband hat eine Meinungsumfrage zu diesem Thema durchführen lassen. Demnach sind zwar 85 Prozent der Befragten für den Schutz der finanziellen Privatsphäre, fast drei Viertel glauben aber, dass die Steuertransparenz in der Schweiz nicht zu vermeiden sei. Die Regierung in Bern lehnt Matters Vorschlag ab. Die Begründung: Mit dieser Initiative würde man vor allem Steuerhinterziehern helfen und eine korrekte Erhebung der Steuern erschweren.
Nach einer aktuellen Studie der Zeb, eine auf die Finanzwirtschaft spezialisierte Unternehmensberatung, hatten die Schweizer Privatbanken seit 2010 infolge der Weißgeldstrategie Vermögensabflüsse von 120 Milliarden Franken zu verzeichnen. Trotzdem kam es insgesamt zu einem Anstieg der verwalteten Vermögen. Dieser beruhte freilich zu zwei Dritteln auf dem Wertzuwachs, der sich aus der Hausse an den Börsen ergab. Dadurch würden die tieferliegenden strukturellen Probleme der Branche übertüncht, zumal in nächster Zeit eher nicht mit einem weiteren Aufschwung an den Börsen zu rechnen sei, warnt der Zeb-Partner Axel Sarnitz.

Die neuen steuerehrlichen Kunden sind viel preisbewusster

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die alten Schwarzgeldkunden wegen der impliziten Steuervorteile nicht groß über die Höhe der Bankprovisionen verhandelt hatten. Entsprechend hoch waren die Margen, welche die Schweizer Banken mit den steuerunehrlichen Deutschen, Franzosen oder Holländern einfuhren. Die neuen, steuerehrlichen Kunden sind indes viel preisbewusster. Im Zusammenspiel mit den Negativzinsen, die die Schweizerische Nationalbank zur Bekämpfung der Frankenstärke im Januar verhängt hat, drückt dies die Margen immer weiter nach unten.
Doch das ist längst nicht alles. Die wachsenden Anforderungen aus der Regulierung und dem Anlegerschutz sowie der Zwang, in digitale Technik zu investieren, treiben die Kosten in die Höhe. Für so manches Schweizer Finanzhaus ist das ein tödlicher Cocktail. Die Konsolidierung dürfte sich weiter beschleunigen. Nach Einschätzung der Zeb wird ein Drittel der Privatbanken in den nächsten drei bis fünf Jahren vom Feld gehen. „Viele Institute befinden sich in einem Wettlauf gegen die Zeit. Sie müssen sich neu aufstellen, die eigene Ertragsbasis stabilisieren, ihre Kosten in den Griff bekommen sowie die Digitalisierung zu ihren Gunsten nutzen“, sagt der Schweizer Zeb-Partner Heinz Rubin. Die fast verzweifelte Ankündigung einiger Banken, die Preise zu erhöhen, hält Rubin für schwer durchsetzbar. Im aktuellen Zinsumfeld halte sich die Anlagerendite der Kunden ohnehin in Grenzen. Wenn dann die Bank höhere Gebühren verlange, sei der Kunde ganz schnell weg, zumal die Erbengeneration dem guten alten Bankberatungsmodell sowieso reserviert gegenüberstehe.
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Die jungen Erben sind viel technikaffiner und damit auch offen für preisgünstige digitale Vermögensverwalter, die „Robo-Advisors“. Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft Accenture könnten die traditionellen Geschäftsbanken bis zum Jahr 2020 gut ein Drittel ihrer Marktanteile an Internetanbieter verlieren. Nach Ansicht von Bankenverbandspräsident Patrick Odier ist der Aufmarsch der sogenannten Fintech-Unternehmen für einige Banken durchaus eine Bedrohung. „Vor allem aber liegt darin die Chance, sich auf eine neue Art weiterzuentwickeln und zu wachsen“, sagt Odier. Genau so sieht das auch die UBS. Die Großbank leistet sich mehrere Ideenschmieden, in denen sie der Fintech-Szene auf den Zahn fühlt. Odier hält es für unverzichtbar, dass die Schweiz als innovatives Land eine Vorreiterrolle in der Digitalisierung des Bankgeschäfts spielt und sich nicht von ihren neuen Mitbewerbern aus Amerika und Asien abschütteln lässt. Aber längst nicht alle Banken verfügen über genügend Mittel, um in der digitalen Welt ordentlich mitzuspielen. Rund ein Drittel der Schweizer Vermögensverwalter macht derzeit Verlust, heißt es in der Branche. Als letzter Ausweg bleibt oft nur die Flucht in die Arme eines stärkeren Wettbewerbers.

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