Vater von 888 KindernAm Wochenende hatte er frei
Der Sultan Mulai Ismail soll 888 Kinder innerhalb von 30 Jahren gezeugt haben. Der Evolutionsbiologe Karl Grammer fragte sich, ob das wirklich geht – und gewann mit seiner Forschungsarbeit glatt einen Preis.
20.09.2015, von MICHAEL GRAUPNER
Am Donnerstag sind an der Harvard-Universität die 25. sogenannten Ig-Nobelpreise verliehen worden. „Ig“ geht auf den englischen Ausdruck „ignoble“ zurück und bedeutet etwa „unwürdig“. Die Stiftung „Improbable Research“ ehrt Forscher, die mit ihrer Arbeit „erst zum Lachen, dann zum Nachdenken anregen“. Diesen „Anti-Nobelpreis“ in der Kategorie Mathematik gewann dieses Jahr der deutsche Evolutionsbiologe Karl Grammer. Gemeinsam mit seiner Kollegin Elisabeth Oberzaucher hat er die Legende statistisch untersucht, wonach der marokkanische Sultan Mulai Ismail (1645–1727), genannt „der Blutrünstige“, mit vier Ehefrauen und rund 500 Haremsdamen 888 Nachkömmlinge zeugte.
Herr Grammer, darf ich Sie fragen, wie viele Kinder Sie haben?
Ja, können Sie, ich habe eins.
Ist Ihnen das genug, oder hätten Sie auch gerne 888?
Das reicht aus.
Sie haben ja ausrechnen wollen, ob Mulai Ismail in 30 Jahren 888 Kinder zeugen konnte. Konnte er?
Ja, das war möglich – rein theoretisch.
Wie haben Sie das herausgefunden?
Ich habe mit Hilfe einer Simulation herauszufinden versucht, ob es tatsächlich möglich ist oder nicht. Da fließen ein Haufen Variablen mit ein, wie etwa die Abnahme der Spermienqualität im Alter oder das Verbot des Geschlechtsverkehrs während der Menstruation.
Wie häufig hatte er demnach Sex?
Er hätte im günstigsten Fall 0,8 Mal Geschlechtsverkehr am Tag haben müssen. Am Wochenende hatte er also frei.
Angeblich besaß er 500 Konkubinen und vier Ehefrauen. Hätte er die alle gebraucht?
Nein, das wäre mit 90 bis 150 Frauen genauso gegangen.
Wie viele Kinder hätte er haben können?
Mit zwei Kopulationen pro Tag hätte er auf gut 1100 Kinder kommen können. Aber die Mädchen der Konkubinen muss man abziehen, die wurden gleich erdrosselt.
Das klingt ja schrecklich.
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Der Mulai Ismail war kein angenehmer Mensch. Das wissen wir vom Bericht eines französischen Jesuitenpaters, der sich zu dieser Zeit in Marokko aufgehalten hat. Ismail hat Frauen, die versucht haben, fremdzugehen, die Brüste abgeschnitten und die Zähne ausgerissen. Männer, die seine Frauen angeschaut haben, wurden getötet. Immer wenn er gelb angezogen war, war er mordlustig. Man sagt, er habe seine Pferde besser behandelt als seine Frauen.
Wissen Sie etwas über die Gründe für seinen Vermehrungswahn?
Nein. Wir wissen nur, dass die Kinder eine regelrechte Plage in der Stadt waren. Sie haben alles machen dürfen, ohne dass sie bestraft werden konnten.
Was ist aus den Kindern geworden?
Wenn Sie das umrechnen, ist mehr als halb Marokko mit dem Sultan verwandt. Mit DNA-Analysen könnte man das wahrscheinlich nachweisen. Bei Dschingis Khan hat man so etwas ja gemacht. Der hat angeblich 2000 Kinder gezeugt.
Wie sind Sie überhaupt auf diese Geschichte gestoßen?
Ich habe einmal auf einem reproduktionsmedizinischen Kongress mit 1000 Teilnehmern einen Vortrag gehalten. Während des Vortrages habe ich mich gefragt, wie oft man eigentlich kopulieren muss, um Nachwuchs zu produzieren. Ich stellte die Frage an das Auditorium, und keiner der Mediziner wusste eine Antwort. Dann habe ich mich hingesetzt und eine Simulation gebaut, und eines Tages kam Mulai Ismail dazu.
Und, wie oft muss man?
Es braucht 21 Kopulationen – wenn die zufällig verteilt sind über den Zyklus.
Den Preis in Harvard hat Ihre Kollegin in Empfang genommen. Warum waren Sie nicht dort?
Ich arbeite gerade an einem sehr anstrengendem Forschungsprojekt – ich baue jetzt Roboter.
Wie ist Ihre Reaktion auf die Bekanntgabe ausgefallen?
„Ja, mein Gott“, habe ich gesagt. Dieser Nobelpreis ist eine sehr zwiespältige Geschichte. Man kann sich wenigstens noch damit anfreunden, dass das Sachen sind, die etwas ungewöhnlich klingen und dann zum Nachdenken auffordern.
Was haben Sie bekommen?
10 Millionen Zimbabwe-Dollar und einen Blumentopf.
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