SchuldenkriseEurogruppe hinterlässt viele Fragen zu Griechenland
21.11.2012 · Nach dem weitgehend ergebnislosen Treffen der Eurogruppe in Brüssel ist offen, wie sich das internationale Hilfsprogramm für Griechenland fortschreiben lässt. Diskutiert wird über einen Schuldenrückkauf, niedrigere Zinsen und eine Stundung der Rückzahlung.
Von WERNER MUSSLER, MANFRED SCHÄFERS UND PATRICK WELTER
Nach dem weitgehend ergebnislosen Treffen der Eurogruppe in Brüssel ist offen, wie sich das internationale Hilfsprogramm für Griechenland fortschreiben lässt. Nach Angaben von Teilnehmern offenbarten sich bei dem Treffen, das am Mittwochmorgen nach etwa zwölfstündigen Beratungen abgebrochen wurde, in beiden großen Streitfragen so große Differenzen, dass eine Einigung auf dem nächsten Treffen am Montag keineswegs gesichert sei. Nach Angaben von Diplomaten besteht das Hauptproblem darin, dass die diskutierten Teillösungen sich nur schwer zu einem Gesamtpaket schnüren lassen.
In der Frage, wie sich die Finanzierungslücke im Hilfsprogramm bis 2014 schließen lässt, hätten etliche Staaten bestimmte Optionen kategorisch ausgeschlossen. Eine Lösung müsse aber alle diskutierten Elemente – Schuldenrückkauf, Zinsabsenkung und die Stundung der Rückzahlung – umfassen. Anders sei den Kapitalmärkten nicht zu vermitteln, dass der auf Griechenland lastende Schuldendruck gesenkt werde.
Schäuble setzt auf die EZB - der IWF lehnt das ab
Als Ausweg aus der verfahrenen Lage brachte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach übereinstimmenden Berichten von Teilnehmern vor den Bundestagsfraktionen in Berlin die Europäische Zentralbank (EZB) als Option zur Schließung der Lücke ins Spiel. In Brüssel hieß es, der Internationale Währungsfonds (IWF) lehne diese Lösung ab; deshalb sei sie eher unwahrscheinlich.
In Berlin hieß es dagegen, die EZB habe sich bereiterklärt, mit 9 Milliarden Euro zur Schließung der Finanzierungslücke von insgesamt 14 Milliarden Euro beizutragen. Demnach wolle die Zentralbank die indirekte Finanzierung des griechischen Staates über sogenannte T-Bills bis 2014 weiterführen. Mit diesen kurzlaufenden Staatspapieren hat sich die Regierung in Athen dringend benötigtes Geld bei heimischen Banken beschafft, um einen Zahlungsausfall zu vermeiden. Die griechischen Banken haben diese Papiere an die EZB weitergereicht und sie damit refinanziert. Bisher wollte die Zentralbank diese Finanzierung zurückführen. In der EZB wurden die Berichte aus Berlin nicht bestätigt.
Auch im Streit mit dem IWF um die Wiederherstellung der griechischen Schuldentragfähigkeit war noch keine Lösung absehbar. Allerdings gewinnt nach Angaben von Teilnehmern das Argument an Zustimmung, dass die griechische Schuldenlast schnell verringert werden muss, um den Erfolg des Programms nicht zu gefährden. Wenn die Finanzmärkte nicht von der Tragfähigkeit der Schuldenlast überzeugt würden, stehe die Rückkehr Griechenlands aus der Rezession zum Wachstum infrage und das Programm vor dem Scheitern, hieß es in Brüssel.
Die Idee des Schuldenrückkaufs
Der IWF und die Euro-Staaten streiten vor allem darüber, wie die Schuldenlast schnell binnen zwei oder drei Jahren gesenkt werden kann. Besonderes Gewicht erhält damit die Idee des Schuldenrückkaufs, der rasch wirken würde. In Berlin hieß es, viele Länder befürworteten ein Schuldenrückkaufprogramm als Teil eines Gesamtpakets. In Brüssel hieß es ergänzend, die Niederlande und Finnland lehnten den Schuldenrückkauf ab. Der noch in der vergangenen Woche geführte Streit zwischen Währungsfonds und den Euro-Staaten, ob ein Schuldenstand von 120 Prozent bis 2020 oder erst bis 2022 erreicht werden solle, scheint dabei an Bedeutung zu verlieren.
Eine Schuldenerleichterung ergäbe sich dadurch, dass die Papiere derzeit am Markt zu einem Kurs von 30 bis 35 Cent je Euro Nennwert gekauft werden können. Diskutiert wird ein Angebot an private Anleger aus dem Ausland und in Griechenland, die noch griechische Schuldtitel von einem Ausgabewert von etwa 60 Milliarden Euro halten. Doch ist unklar, wie viel ein Rückkauf letztlich an Schuldenerleichterung für Griechenland brächte. Denn anzunehmen ist, dass die Kurse der Anleihen steigen werden, wenn klar ist, dass die Euro-Staaten damit ernst machen wollen. Nach Berechnungen der Bundesregierung könnte der Krisenfonds EFSF dem griechischen Staat 10 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, der dann Anleihen zum doppelten Wert zurückkaufen könnte.
Die Finanzierung des Schuldenrückkaufprogramms ist unter den Euro-Staaten umstritten. Die meisten Länder wollen dazu auf Gewinne zurückgreifen, die die EZB in der Eurokrise macht. Allerdings darf diese keine Gewinne an eine Regierung ausschütten; das wäre eine verbotene Staatsfinanzierung. Der Überschuss fließt an die jeweiligen nationalen Notenbanken. In Deutschland entscheidet die Bundesbank autonom über die Höhe ihres Gewinns, der dann nach festen Vorgaben zum Teil in den Investitions- und Tilgungsfonds sowie in den Bundeshaushalt fließt. Anders als die meisten Euro-Regierungen kann die Bundesregierung nicht die EZB-Mittel direkt nach Athen weiterleiten. Sie will daher ihren Teil über den Hilfsfonds EFSF leisten.
Euro-Staaten verlangen derzeit für ihre bilateralen Kredite an Athen einen Zinssatz von 1,7 Prozent
Die anderen Instrumente, mit denen sich die Finanzierungslücke schließen lassen könnte, sind ebenfalls umstritten. Der Streit um eine Absenkung der Zinslasten Griechenlands gründet in einem innereuropäischen Verteilungsproblem. Kein Land wolle Athen Zinsen zugestehen, die unter den eigenen Refinanzierungskosten lägen, berichteten Diplomaten. Das gilt vor allem für Länder wie Italien und Spanien. Die Euro-Staaten verlangen derzeit für ihre bilateralen Kredite an Athen einen Zinssatz von 1,7 Prozent. Kredite des EFSF sind mit 1,5 bis 2 Prozent verzinst. Eine Senkung der Zinslast müsste nach Einschätzung von Teilnehmern der Gespräche mit einer drastischen Verschiebung des Rückzahlungszeitraums einhergehen, um finanziell einen hinreichenden Beitrag zu leisten.
Weitgehend einig sind sich die Minister nach Berliner Angaben, die Zinsen für Kredite aus dem zweiten Hilfsprogramm, das aus EFSF-Mitteln kommt, bis Ende 2014 zu stunden. Bei den Krediten aus dem ersten Griechenland-Programm ringt man noch um eine Lösung. In Deutschland floss das Geld über die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau. Hier war überlegt worden, den Zinsaufschlag auf 25 Basispunkte oder 0,25 Prozent zu senken. Deutschland war nicht bereit, so weit herunterzugehen, weil dann die KfW Verluste machen würde und diese aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen werden müssten. Dies will die Bundesregierung auf jeden Fall vermeiden. Sie wäre wohl bereit, von heute 150 Basispunkte auf 60 Prozent zu gehen. Dann bliebe noch eine Lücke.
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