SchuldenkriseGriechenland führt Ausgabenbremse für Ministerien ein
18.11.2012 · Wenn griechische Ministerien zu viel Geld ausgeben, soll es künftig Sanktionen geben. Damit will Griechenland sich auf nächste Woche vorbereiten. Dann beraten die Geldgeber darüber, wie das Land genug Geld bis 2014 bekommt. Doch der deutsche EZB-Direktor Jörg Asmussen warnt: Danach werde ein neues Hilfspaket nötig.
Griechenland will eine automatische Ausgabengrenze für seine Ministerien, Staatsbetriebe und Kommunen einführen. Der entsprechende Beschluss wurde bei einer Sitzung des griechischen Premierministers Antonis Samaras mit Finanzminister Ioannis Stournaras und anderen Regierungsmitgliedern am Sonntag gefasst.
In weiteren Verordnungen sollen alle noch offenen Fragen im Zusammenhang mit dem jüngsten Sparpaket geklärt werden, damit Stournaras am Dienstag beim Treffen der Eurogruppe abschließende Resultate vorweisen kann. Die Marathonsitzung im Amtssitz des Premierministers begann am Vormittag und dauerte bis in den Abend.
Automatische Sanktionen
Die automatische Ausgabenbegrenzung sieht laut Medieninformationen vor, dass Ministerien, Staatsbetriebe oder Kommunen jeden Monat auf die in den Sparbeschlüssen festgelegten Ausgabenziele hin überprüft werden. Sollten sie mehr als zwei Quartale hintereinander von den Ausgabenzielen abweichen, wird die Schere angesetzt.
Die Sanktionen treten automatisch in Kraft, hieß es am Abend im griechischen Fernsehen: Säumigen Ministerien solle ein Sparkommissar des Finanzministeriums auf die Sprünge helfen. Bei den Staatsbetrieben werde das Gehalt des Vorstands gekürzt oder ganz gestrichen.
Sonderkonferenz der Finanzminister am Dienstag
Die Finanzminister der Euro-Länder wollen am Dienstag auf einer Sonderkonferenz beraten, wie eine neue Finanzierungslücke im griechischen Haushalt bis 2014 in Höhe von 13,5 Milliarden Euro gedeckt werden kann. Einen von Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) ins Gespräch gebrachten zweiten Schuldenerlass, bei dem auch öffentliche Kreditgeber wie Deutschland Geld verlören, lehnt die Bundesregierung ab.
Deutschland und Frankreich haben angekündigt, dass Griechenland am Dienstag die politische Zusage für die nächste Hilfstranche erhalten soll, die sich inklusive bislang nicht geleisteter Zahlungen auf bis zu 44 Milliarden Euro belaufen kann. EU-Kreisen zufolge wollen die Finanzminister zumindest klären, wie die Finanzlücken bis 2014 geschlossen werden sollen. Eine Lösung bis 2020 solle später angegangen werden.
Regling sieht hohe Hürden für einen Schuldenerlass
Der Chef des Euro-Rettungsfonds, Klaus Regling, sieht hohe Hürden für einenSchuldenerlass der Euro-Staaten für Griechenland. „Ein öffentlicher Schuldenschnitt ist etwas ganz Außergewöhnliches, den kann es nur in extremen Ausnahmesituationen geben“, sagte er dem „Handelsblatt“. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bremste und forderte von Athen stattdessen die Umsetzung der Reformpläne.
Die griechische Regierung habe ihr Reformpaket nur beschlossen, aber eben noch nicht umgesetzt, sagte Schäuble am Sonntagabend in der ARD. Alle Mitgliedsstaaten der Euro-Zone hätten gesagt, dass auch nach ihrer Rechtsordnung „man nicht gleichzeitig Kredite gewähren kann, Garantien übernehmen kann - und für die Kredite, die man gewährt hat, einen Schuldenschnitt machen. Das ist ausgeschlossen.“ Auch die Europäische Zentralbank (EZB) als Hauptgläubiger lehne dies „definitiv“ ab, sagte Schäuble. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) drang im ZDF ebenfalls auf Reformen Athens.
Regling: Beim Schuldenschnitt haben fast immer private Gläubiger verzichtet
Regling sagte zum Thema Schuldenschnitt, dafür gebe es zwar viele historische Beispiele. „Dabei gab es allerdings fast immer eine Arbeitsteilung zwischen privaten und öffentlichen Gläubigern. Die privaten Gläubiger verzichteten auf einen Teil ihrer Forderungen, während die öffentliche Hand dem betroffenen Staat neue Kredite zu günstigen Konditionen gab. So ist es in Asien und Lateinamerika gelaufen und so machen wir es jetzt auch im Euroraum.“ Regling räumte ein, dass Griechenland der „mit Abstand schwierigste Fall“ in der Euro-Zone sei. Trotzdem könne das Land von seiner extrem hohen Staatsverschuldung wieder herunterkommen.
Der Rettungsfonds-Chef begründete diese Erwartung damit, dass Griechenland für die Kredite des Euro-Rettungsschirms nur noch extrem niedrige Zinsen von 1,5 bis 2 Prozent zahle. Regling äußerte sich zuversichtlich, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) sich auch künftig an den Krediten beteiligt. „Die Zusammenarbeit zwischen dem IWF und dem Euroraum in der Troika hat sich bewährt. Dass die Ansichten nicht immer deckungsgleich sind, liegt bei einem so komplexen Fall auf der Hand. Bisher ist es trotzdem immer wieder gelungen, einen Konsens in der Troika herzustellen.“
Streit zwischen den Geldgebern
Zwischen der Euro-Zone und dem IWF war ein Streit darüber entbrannt, zu welchem Zeitpunkt Griechenland seine Gesamtverschuldung wieder auf ein tragfähiges Niveau senkt. Die Euro-Finanzminister und IWF-Chefin Christine Lagarde wollen bei einer Sondersitzung am Dienstag versuchen, den Konflikt beizulegen. Schäuble äußerte sich in der ARD optimistisch, eine Lösung zu finden, die Griechenland mehr Zeit gebe, um seine Schulden in den Griff zu bekommen: „Wir müssen eine gemeinsame Linie finden. Und wir müssen sie am Dienstag finden.“
IWF-Chefin Christine Lagarde ermahnte ihre europäischen Partner zu Realitätssinn und erklärte, dass sich der Fonds mit seiner Glaubwürdigkeit nicht bedingungslos hinter die Rettungspläne stellen könne. Ziel sei es, ein solides und realistisches Programm für Griechenland zu verabschieden, sagte Lagarde in Manila. Zudem müsse die Glaubwürdigkeit und Qualität der IWF-Empfehlungen gewahrt bleiben. Lagarde bricht ihre Asien-Reise ab, um bei der Sondersitzung dabei zu sein.
Im Kampf gegen Steuerhinterziehung und schwindende Einnahmen will Griechenland rund 17 000 Bürger, die von 2009 bis 2011 Geld ins Ausland überwiesen haben, zur Kasse bitten. Sie werden in den nächsten Tagen aufgefordert nachzuweisen, dass die Mittel aus legalen Quellen stammen und versteuert wurden. Das entsprechende Schreiben druckte eine griechische Sonntagszeitung ab. Die Regierung wendet sich an Bürger, deren Auslandsüberweisungen das seit 2004 deklarierte Einkommen deutlich überschreiten. Sie werden aufgefordert, innerhalb von 20 Tagen eine elektronische Steuererklärung nachzureichen und nachzuweisen, woher das Geld stammt.
Gabriel will reiche Griechen einbeziehen
Nach früheren Medieninformationen soll sich die Summe potenziell unversteuerter Gelder, die im Ausland geparkt wurden, auf fünf Milliarden Euro belaufen. Da sie mit dem Spitzensteuersatz von 45 Prozent besteuert werden sollen, erhoffe sich das Finanzministerium mehr als zwei Milliarden Euro Einnahmen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel macht die Zustimmung seiner Partei zu einem weiteren Griechenland-Hilfspaket derweil von Sparanstrengungen reicher Griechen abhängig. „Ich kann mir kein neues Hilfspaket vorstellen, ohne dass nicht endlich auch die vermögenden Griechen zur Kasse gebeten werden“, sagte Gabriel der „Bild am Sonntag“. Die europäischen Regierungen sollten „das in Europa gebunkerte Vermögen von Griechen einfrieren, bis die nachgewiesen haben, dass sie in Griechenland nach Recht und Gesetz Steuern bezahlt haben“.
Asmussen: Drittes Hilfspaket nötig
Trotz aller Bemühungen um ein finanzielles Überleben Griechenlands ist nach Einschätzung aus den Reihen der Europäischen Zentralbank (EZB) ein drittes Hilfspaket unvermeidbar. „Wir sollten die Finanzierung für die Jahre 2013 und 2014 jetzt nächste Woche aufstellen“, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen dem ZDF nach einer Vorabmeldung vom Sonntag.
Es sei aber nicht zu erwarten, dass sich Griechenland 2015 und 2016 wieder Geld an den Finanzmärkten leihen könne. „Das heißt, es wäre dann ein Anschlussprogramm erforderlich“, sagte Asmussen. Am Wochenende zeichnete sich unter den internationalen Geldgebern vor der Sondersitzung der Euro-Finanzminister zu Griechenland keine Annäherung ab.
Einigung bis Dienstagabend fraglich
Asmussen sagt weiter, ganz klare und endgültige Lösungen seien im Fall Griechenlands schwieriger als anderswo. Hier gebe es eine größere Prognoseunsicherheit, wann das Land auf Wachstumskurs zurückehren könne. Allein mit Krediten sei Griechenland nicht geholfen. „Das schließt zwar die Finanzierungslücke, erhöht aber gleichzeitig die Schulden des Landes“, sagte Asmussen dem ZDF zufolge. Um den Schuldenstand nicht zu erhöhen, kämen ein Schuldenrückkauf oder eine Senkung der Zinsen auf die ausstehenden Kredite infrage.
Nach den Worten von Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker sind der IWF und die Währungsgemeinschaft dabei, ihren Konflikt über den Schuldenabbau Griechenlands zu lösen. „Ich gehe davon aus, dass wir die Reststrecke im Fall Griechenlands gemeinsam mit dem IWF zurücklegen werden“, sagte Juncker am Samstag in Bielefeld zu Reuters. Derzeit arbeite die Euro-Zone intensiv an einem Kompromiss für die weiteren Griechenland-Hilfen und mache dabei Fortschritte, betonte Juncker. Man müsse aber abwarten, ob eine Einigung bis zum Treffen am Dienstagabend gelingen werde.
Anders als die Bundesregierung sprechen sich führende Ökonomen in Deutschland für einen Nachlass der öffentlichen Gläubiger Griechenlands aus. „Ein Schuldenschnitt für Griechenland ist unausweichlich“, sagte Clemens Fuest, künftiger Präsident des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) der „Welt am Sonntag. „Die Frage ist nicht mehr ob, sondern nur noch, wann dieser Schritt kommt.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen