Die Restrukturierung von Staatsanleihen im Euroraum
Von Rechtsanwalt Dr. Manuel Nodoushani, M.A., LL.M., Frankfurt a.M.
II. Hold out-Strategie
Der Vorteil von Collective Action Clauses zeigt sich bei einem Blick auf
die Restrukturierung griechischer Staatsanleihen, die zur Eindämmung der
dortigen Staatsschuldenkrise erforderlich war. Die Restrukturierung dieser
Anleihen wurde dadurch erschwert, dass sie keine Collective Action Clauses enthielten. Aus diesem Grund konnten
strategische Investoren geltend machen, dass die Anleihebedingungen nur mit
Zustimmung aller Gläubiger geändert werden könnten. Mit ihrer Blockadehaltung
wollten sie eine Rückzahlung der Anleihen zum Nennwert erreichen. Auf diese
Weise hätten die Investoren ein lukratives Geschäft gemacht, denn sie hatten
sich vorher zu Niedrigpreisen mit Anleihen eingedeckt. Diese Blockadestrategie
ist bei der Restrukturierung von Anleihen ein bekanntes Phänomen und wird als
„hold out“ bezeichnet. Erneut stelle sich daher die Frage, wie Emittenten auf
die hold out-Strategie sinnvoll reagieren können. Darüber wird schon seit den
Schuldenkrisen südamerikanischer Schwellenländer in den neunziger Jahren
diskutiert. Als Lösung wurden immer wieder Collective Action Clauses ins Spiel
gebracht. Für sie sprach sich der Internationale Währungsfonds ebenso aus, wie
eine von den G 10 eingesetzte Arbeitsgruppe, und auch auf EU-Ebene haben
Collective Action Clauses Befürworter gefunden. Der ESM-Vertrag und in seinem
Fahrwasser der Gesetzesentwurf der Bundesregierung setzen diese Forderungen nun
mit der Maßgabe um, dass Umschuldungsklauseln im Euro-Währungsgebiet
flächendeckend verwendet werden können. Nach der Begründung des
Gesetzesentwurfs verspricht man sich davon, dass ausstehende
Kapitalmarktverbindlichkeiten bei Zahlungsschwierigkeiten des Emittenten
reduziert werden können, ohne dass es zu einem hold out durch
Minderheitsgläubiger kommt. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass
genügend Gläubiger eine Restrukturierung der Anleihe mittragen. Insoweit kommt
es darauf an, welche Mehrheitserfordernisse Collective
Action Clauses vorsehen. Wenn einem Restrukturierungsbeschluss zum Beispiel 66
% oder 75 % aller Gläubiger zustimmen müssen - es handelt sich bei diesen
Prozentzahlen um international übliche Quoren -, können Minderheitsgläubiger,
die alleine oder im Zusammenwirken mit anderen mehr als 34 % bzw. 25 % der
Stimmen auf sich vereinigen, die hold out-Strategie nach wie vor anwenden.
Daher sondieren Hedgefonds den Markt für Staatsanleihen von
Restrukturierungskandidaten und prüfen, ob sich der Erwerb solcher Anleihen
lohnt, um eine Sperrminorität aufzubauen. Collective Action Clauses eignen sich
somit zwar grundsätzlich dafür, die hold out-Strategie von
Minderheitsgläubigern zu durchkreuzen, aber ein Allheilmittel sind sie nicht.
In Anbetracht solcher und anderer Unwägbarkeiten hat sich Griechenland dafür
entschieden, die Mitwirkung der Gläubiger verschiedener Anleihen per Gesetz
anzuordnen. Den betroffenen Gläubigern blieb nichts anderes übrig, als ihre
Anleihen in neue Anleihen mit schlechteren Konditionen zu tauschen, was einem
Forderungsverzicht gleichkam. Die gerichtliche Aufarbeitung dieser
Zwangsumschuldung steht noch aus.
Teilweise sieht man den Vorteil einer flächendeckenden Verwendung von
Collective Action Clauses speziell darin, dass sich wirtschaftlich schwächere
Staaten dadurch leichter am Kapitalmarkt finanzieren können. Wenn sich, so der
Gedankengang, Collective Action Clauses nur in den Anleihebedingungen
wirtschaftlich schwächerer Staaten finden, so würde der Kapitalmarkt mit
solchen Klauseln das Stigma eines Problemschuldners verbinden, der sich auf
eine Restrukturierung seiner Anleihen vorbereiten will. Diese Gefahr, so wird
gesagt, bestünde hingegen nicht, falls sich Umschuldungsklauseln in den
Anleihebedingungen aller Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes fänden, also
auch bei Emittenten mit sehr guter Bonität, wie zum Beispiel der Bundesrepublik
Deutschland und anderer nordeuropäischer Staaten. Dieser Gedankenführung liegt
allerdings eine optimistische Einschätzung zu Grunde, die relativiert werden
muss. Denn selbst wenn Staatsanleihen aller Länder Collective Action Clauses
beinhalten würden, wäre dem Markt bekannt, dass ihre Anwendung bei einigenEmittenten wahrscheinlicher ist als bei anderen. Daher ist nicht davon auszugehen, dass Collective Action Clauses eine Finanzierungshilfe für Staaten mit schlechter Bonität sind.
Nodoushani
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Die Restrukturierung von Staatsanleihen im Euroraum
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WM 2012 Heft
38, 1798
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