UNABHÄNGIGKEITSchottlands Euro-Abenteuer

Schottland könnte bald ein eigenständiges Land sein. Doch mit welcher Währung würden die Schotten dann eigentlich zahlen? Mit dem Euro? So einfach ist das nicht. VON MALTE BUHSE
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Unabhängigkeit: Schottlands Euro-Abenteuer
Noch wehen britische und schottische Fahnen gemeinsam auf dem Hauptgebäude der Lloyds Bank in Edinburgh.  |  © Reuters/Suzanne Plunkett
Sogar die Queen macht sich inzwischen Sorgen. Die Monarchin sei "zutiefst beunruhigt", dass Schottland sich vom Vereinigten Königreich abspalten könne, heißt es am britischen Königshof. Dazu hat sie allen Grund. Das Szenario eines unabhängigen Schottland, bis vor Kurzem noch ein ferner Traum schottischer Nationalisten, ist plötzlich eine realistische Option, wie eine Umfrage am Wochenende zeigte
Nicht nur der Queen gefällt das nicht. Auch schottische Unternehmen sind alarmiert. Mehrere Banken und Versicherer haben bereits angekündigt, ihren Hauptsitz nach England zu verlagern, sollte Schottland tatsächlich eigenständig werden. Andere Firmen haben keine Wahl. "Wir können Schottland nicht verlassen", sagte der Chef des Whiskey-Herstellers Diageo, Ivan Menezes, in einem Interview mit dem Wall Street Journal. Eine Abspaltung Schottlands habe fatale Folgen. 
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Angst macht den Unternehmen vor allem eine Frage: Welche Währung soll in einem unabhängigen Schottland eigentlich gelten?
Video: Abstimmung - Unabhängigkeit spaltet Schottlands Fischer
Am 18. September entscheiden die Schotten über eine Loslösung von Großbritannien. Das Thema spaltet auch die schottischen Fischer. Manche befürchten, dass es im Fall der Unabhängigkeit schwieriger werden wird, Fisch zu exportieren. Video kommentieren
Zurzeit bezahlen die Schotten mit britischem Pfund, der Währung des Vereinigten Königreichs, dessen Teil sie noch sind. Damit könnte es aber bald vorbei sein. Großbritanniens Finanzminister Georg Osborne drohte bereits Anfang des Jahres, die Schotten aus dem Pfund zu schmeißen, sollten sie sich wirklich für die Unabhängigkeit entscheiden.
Wie ernst es Osborne damit meint, ist schwer abzusehen. Seine Drohung dürfte auch Teil der britischen Strategie sein, vor der Abstimmung die Kosten einer Abspaltung möglichst hoch erscheinen zu lassen. Gut möglich, dass die Briten am Ende einen Rückzieher machen und das eigenständige Schottland das Pfund behalten lassen. Schließlich würde man den kleinen Nachbarn so weiterhin eng an sich binden und etwas unter Kontrolle halten. 
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Schottland und die britische Krone bekämpften sich das ganze Mittelalter lang, bis beide Seiten 1707 ein Abkommen schlossen und zum Vereinigten Königreich fusionierten. Schottland entschloss sich vor allem aus Geldnot zu diesem Schritt. Heute haben die Schotten ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als andere Einwohner der Insel.
Seit Jahren setzen sich schottische Nationalisten für mehr Eigenständigkeit ein. 1997 erreichten sie per Volksabstimmung, dass Edinburgh wieder ein Parlament zugesprochen bekam und weitgehende Autonomie bei der Bildungs-, Gesundheits-, Umweltpolitik sowie der Justiz.
Befeuert durch gute Wahlergebnisse will die Scottish National Party (SNP) noch einen Schritt weitergehen und das Volk über die völlige Unabhängigkeit von Großbritannien abstimmen lassen. Sie spricht von "Wahl zwischen Zukunft und Stillstand": Das Hauptargument: Die Schotten könnten am besten alleine entscheiden, wie sie ihren Reichtum verteilen. Das will nun die britische Zentralregierung aufhebeln: Sie verspricht den Schotten mehr steuerliche Freiheit, wenn sie sich NICHT abspalten.
Doch ein solcher Verbleib im Pfund würde einem unabhängigen Schottland viele Probleme machen. Die Schotten würden schließlich in einer Währung handeln, auf die sie keinen Einfluss mehr hätten. Sie hätten weder bei der britischen Notenbank Bank of England etwas zu sagen, noch könnten sie durch ihre Stimme bei britischen Parlamentswahlen entscheiden, wofür Steuern ausgeben werden und ob etwa die Staatsverschuldung erhöht wird. Eine solche Abhängigkeit kann den schottischen Separatisten eigentlich nicht gefallen.
Alternativen dazu gibt es zwei: eine eigene Währung oder der Beitritt zum Euro. Die erste, ein schottisches Pfund, wäre ein währungspolitisches Experiment. Zwar zeigt das Beispiel Kanada, dass ein Land, dass wirtschaftlich von einem großen Nachbar abhängig ist, mit eigener Währung grundsätzlich funktionieren kann. Doch die Einführung einer neuen Währung ist kompliziert und für Unternehmen teuer. 

Ein schottisches Pfund wäre sehr instabil

Zudem könnte eine schottische Währung sehr instabil sein. "Wenn Schottland eine eigene Währung einführt, würde sie wahrscheinlich an das britische Pfund gekoppelt werden", sagt Friedrich Heinemann, Ökonom und Experte für Öffentliche Finanzwirtschaft und Europa beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Eine solche Anbindung werde häufig dann zum Problem, wenn die eigene Währung unter Abwertungsdruck gerät. Um das festgelegte Tauschverhältnis sicherzustellen, müsste die schottische Notenbank schottische Pfund am Markt aufkaufen. "Ob sie dafür genügend Devisenreserven besitzt, ist unklar und zumindest fraglich", sagt ZEW-Forscher Heinemann. 
Bleibt also der Beitritt zum Euro. Rein formal würde Schottland die Kriterien für einen Euro-Beitritt vermutlich erfüllen. Wie hoch Inflation und Schuldenquote genau sein werden, wird man zwar erst sehen, wenn separate schottische Statistiken vorliegen. Zudem ist noch unklar, welchen Anteil der Staatsschulden des Vereinigten Königreichs Schottland übernehmen müsste. Doch wenn die Unabhängigkeit nicht gleich eine Wirtschaftskrise auslöst, wäre Schottland reif für den Euro.