Mittwoch, 03. September 2014
Bewegung im Ukraine-KonfliktPoroschenko erhält Rückendeckung
Der ukrainische Präsident Poroschenko steht unter großem Druck - nun bekommt er Rückendeckung aus dem Westen. Merkel, Obama und Cameron wollen das Staatsoberhaupt treffen - und eine klare Botschaft senden.
Vor dem Beginn des Nato-Gipfels am Donnerstag in Wales kommen Bundeskanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Barack Obama und der britische Premier David Cameron mit dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko zusammen. An dem Treffen im walisischen Newport nehmen zudem Frankreichs Präsident François Hollande und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi teil, wie am Abend aus britischen Regierungskreisen verlautete. "Das Treffen ist eine Gelegenheit, von Präsident Poroschenko eine Einschätzung zu den neuesten Entwicklungen vor Ort und seinen Gesprächen mit (dem russischen Präsidenten Wladimir) Putin zu bekommen." Das Treffen solle zudem ein "klares Zeichen" der Unterstützung für die Souveränität der Ukraine im Konflikt mit Russland sein, hieß es weiter.
Die prowestliche Regierung in Kiew hatte zuvor einen Sieben-Punkte-Plan Putins zur Beilegung der Ukraine-Krise abgelehnt. "Das ist ein Plan zur Vernichtung der Ukraine und zur Wiederherstellung der Sowjetunion", sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk in Kiew. Putins Initiative sei ein Versuch der Augenwischerei für die internationale Gemeinschaft vor dem Nato-Gipfel. "Er will den Konflikt einfrieren und damit neue Sanktionen gegen Russland vermeiden", sagte er. Der beste Plan für ein Ende des Konflikts bestehe aus nur einem Punkt. "Russland soll seine Armee aus der Ukraine abziehen", sagte Jazenjuk.
Putins Aktionsplan sah unter anderem ein Ende der Offensiven der ukrainischen Armee und der prorussischen Separatisten sowie einen Austausch der Gefangenen vor. In einem ersten Schritt sollten in den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk "die offensiven Militäraktionen beendet" werden. Putin äußerte zudem die Hoffnung, dass die Regierung in Kiew und die prorussischen Separatisten im Osten des Landes bis Freitag zu einer "endgültigen Einigung" kommen.
Poroschenko und Merkel telefonieren
Auch Poroschenko schließt eine baldige Friedensvereinbarung mit den Separatisten nicht aus. Auch er legt nach eigenen Angaben "große Hoffnungen darauf, dass am Freitag in Minsk endlich mit dem Friedensprozess begonnen wird", sagte Poroschenko in Kiew. Er habe mit Putin am Telefon darüber gesprochen, wie die "schrecklichen Prozesse" gestoppt werden können. "Das Volk der Ukraine ist für Frieden. Krieg spielen politische Abenteurer", sagte Poroschenko. An diesem Freitag trifft sich in Minsk die Ukraine-Kontaktgruppe aus Vertretern der Ukraine, Russlands und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte in einem Telefonat mit Poroschenko am Abend dessen Bereitschaft zu einer Feuerpause. Zudem begrüßte sie, dass die Kontaktgruppe dazu "erste Umsetzungsschritte" vereinbaren soll. Die Kanzlerin hofft nach Angaben eines Regierungssprechers, "dass es tatsächlich zu einem beidseitigen Waffenstillstand kommt". Russland bleibe verpflichtet, alles zu tun, um einen weiteren Nachschub von Waffen und Kämpfern über die russisch-ukrainische Grenze zu verhindern.
Die Aufständischen reagierten positiv auf Putins Erklärung. Die "Volkswehr" sei bereit, die Kämpfe einzustellen, wenn sich die Regierungseinheiten zurückziehen würden, sagte Separatistenführer Miroslaw Rudenko in Donezk. Ein möglicher Gefangenenaustausch könne beim nächsten Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe besprochen werden. Die Ukraine-Kontaktgruppe hatte sich zuletzt am Montag in Minsk getroffen. An den Beratungen nahmen Vertreter der Regierung in Kiew, der Separatisten, Russlands sowie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) teil.
Verwirrung um Waffenstillstand
Zuvor hatte es stundenlang Verwirrung um einen Waffenstillstand gegeben. Zunächst hatte der Kreml mitgeteilt, dass Putin und Poroschenko bei ihrem Gespräch über einen Ausweg aus der Krise beraten hätten. Details wurden dabei nicht genannt. Wenig später überraschte Poroschenko mit der Mitteilung, er habe mit Putin "eine dauerhafte Waffenruhe" vereinbart.
Aus Moskau kam umgehend ein Dementi. Wie Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte, gebe es noch keine Vereinbarung zwischen Moskau und Kiew über eine Feuerpause. Russland könne eine Waffenruhe nicht aushandeln, weil es keine Konfliktpartei sei, sagte Peskow.
Danach milderte Kiew seine Mitteilung unkommentiert ab. Das Präsidialamt strich den Zusatz "dauerhaft" und informierte nur noch über ein vereinbartes "Regime der Feuerpause", wie wenig später auf der Internetseite der Behörde zu lesen war. Die Änderung auf der Webseite wurde nicht kenntlich gemacht, und die Uhrzeit der Veröffentlichung blieb unverändert.
Bisher hatte Russland stets betont, dass es sich bei der Krise in der Ostukraine um einen innenpolitischen Konflikt der Ex-Sowjetrepublik handele. Der Kreml hatte einen Einfluss auf die prorussischen Separatisten immer bestritten und gefordert, dass die prowestliche Regierung in Kiew selbst mit den Aufständischen einen Waffenstillstand vereinbaren müsse.
US-Präsident Barack Obama äußerte bei einem Besuch im Baltikum Zweifel an dem angeblichen Waffenstillstand. Bei "sogenannten angekündigten Waffenruhen" habe es bisher wenig Zeichen für eine tatsächliche Einigung im Anschluss gegeben, sagte er. Die Europäische Union ihrerseits hat angekündigt, bis Freitag über mögliche neue Sanktionen gegen Moskau zu entscheiden.
Kiew plant Mauer
Zugleich wurden Pläne der Ukraine laut, entlang der Staatsgrenze zu Russland eine rund 2000 Kilometer lange Mauer zu bauen. "Wir wollen einen echten Schutz", sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk.
Zu den Plänen für den Bau einer Mauer sagte Jazenjuk weiter, denkbar sei auch ein Elektrozaun mit Minen und Stacheldraht. Das Projekt soll etwa 100 Millionen Euro kosten. In ihrem Kampf gegen die prorussischen Separatisten hat die Regierung in Kiew derzeit die Kontrolle über einen Teil der Grenze in der Ostukraine verloren. Die prowestliche Führung wirft Moskau vor, hier Nachschub für die Aufständischen einzuschleusen.
Derweil berichten die prorussischen Separatisten im Donbass von einem massiven Rückzug der ukrainischen Regierungstruppen. Sie begrüßten Poroschenkos Ankündigung einer Waffenruhe, blieben aber skeptisch. Sollte es Kiew ernst meinen, seien die Aufständischen zu einer politischen Lösung des Konflikts bereit, hieß es. Beobachter in Kiew vermuteten, dass Poroschenko sich angesichts jüngster Niederlagen seines Militärs für eine zeitweilige Feuerpause entschieden habe, um die Kräfte neu zu ordnen. Früher hatte es lediglich von Kiew eine einseitig erklärte Feuerpause gegeben.
Quelle: n-tv.de , vpe/ppo/dpa/rts/AFP
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen