Weissgeldstrategie
Torschlusspanik bei den Steuerflüchtlingen
Die Anzeichen mehren sich, dass die von Behörden und Banken propagierte Weissgeldstrategie Früchte trägt. Jüngstes Beispiel ist die Statistik über den Vollzug des Zinsbesteuerungsabkommens mit der EU.
Noch schlägt dem Finanzplatz viel Misstrauen entgegen, wenn seine Exponenten verkünden, die Branche habe dem Geschäft mit unversteuerten Vermögen abgeschworen. Inzwischen gibt es aber verschiedene Hinweise, dass es sich dabei nicht nur um leere Worte handelt. So mehren sich Berichte über ausländische Kunden, die von den Banken ultimativ aufgefordert werden, mit ihrem Fiskus ins Reine zu kommen. Das Beratungsunternehmen PwC schätzt, dass in den letzten sechs Jahren rund 350 Mrd. Fr. vom Schweizer Finanzplatz abgeflossen sind – vor allem von ausländischen Schwarzgeldkunden.
Freiwillige Meldungen boomen
Solche Schätzungen sind immer mit Unsicherheiten behaftet, weil sie sich nur zum Teil auf konkrete Daten – meist dient die monatlich publizierte Statistik der Nationalbank über die Wertschriftendepots der Banken als Basis – stützen. Jetzt liegt aber detailliertes Zahlenmaterial vor, das im Falle der Bankkunden aus der EU in die gleiche Richtung weist. Es geht um die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV) erhobene Statistik über den Vollzug des Zinsbesteuerungsabkommens mit der EU. Zwar ist die Aussagekraft dieser Daten insofern beschränkt, als das Mitte 2005 in Kraft getretene Abkommen bekanntlich nur einen Teil der Zinserträge erfasst und für reiche Privatpersonen relativ einfach zu umgehen ist. Die kürzlich von der ESTV im Internet aufgeschalteten Daten für das letzte Jahr unterstreichen den Trend zur Regularisierung unversteuerter Vermögen aber in aller Deutlichkeit.
Das Zinsbesteuerungsabkommen lässt EU-Steuerpflichtigen die Wahl zwischen einer freiwilligen Meldung über die Zinseinkünfte an ihre Steuerbehörden und einem Steuerrückbehalt von 35%, der von den Schweizer Banken erhoben wird. Der Steuerrückbehalt, bei dem die Kunden ihre Anonymität gegenüber dem heimischen Fiskus wahren können, belief sich 2013 auf 510,1 Mio. Fr. (75% davon flossen in die 28 EU-Staaten). Das waren 17% weniger als im Vorjahr, wie die EStV Ende Juni mitteilte. Gegenläufig und im Ausmass deutlich stärker waren die freiwilligen Meldungen an die EU-Steuerbehörden: Sie nahmen um 44% auf einen Zinsbetrag von 1,325 Mrd. Fr. zu, wie den jetzt veröffentlichten Daten zu entnehmen ist. Im Vergleich zum Jahr 2011 – damals wurde der Steuerrückbehalt von 20% auf 35% erhöht – machte der Anstieg sogar 86% aus.
Die Aufschlüsselung der freiwilligen Meldungen auf die einzelnen Länder liefert Anhaltspunkte für die Motive der Steuerpflichtigen, ihre Vermögen offenzulegen. So fällt auf, dass besonders starke Zunahmen zum Teil jene Länder betreffen, die Amnestien erlassen haben oder Selbstanzeigeprogramme anbieten. Der gemeldete Zinsbetrag spanischer Steuerpflichtiger zum Beispiel schnellte innerhalb von zwei Jahren von 18,6 Mio. Fr. auf das Vierzehnfache von 260,6 Mio. Fr. in die Höhe. Das ist hinter Deutschland (Zunahme um 31% auf 551,5 Mio. Fr.) der zweithöchste Betrag aller EU-Staaten. Im Falle Portugals nahmen die gemeldeten Zinseinnahmen zwischen den Jahren 2011 und 2013 um 281% auf 76,6 Mio. Fr. zu. Überdurchschnittlich stark erhöhten sich aber auch die offengelegten Zinsbeträge im Falle Griechenlands und Italiens, nämlich um 251% beziehungsweise um 155%.
Im Unterschied zu den meisten anderen Ländern lag der von italienischen Bankkunden im vergangenen Jahr offengelegte Zinsbetrag von 42,4 Mio. Fr. aber noch immer deutlich unter der Summe, die aufgrund des Steuerrückbehalts nach Italien überwiesen wurde (74,4 Mio. Fr.). Mit einer Zunahme um einen Drittel innerhalb von zwei Jahren war die Entwicklung der freiwilligen Meldungen französischer Bankkunden vergleichsweise bescheiden. Beobachter weisen darauf hin, dass die Folgen des französischen Selbstanzeigeprogramms möglicherweise erst im laufenden Jahr voll sichtbar werden.
Torschlusspanik vor AIA
Unabhängig von solchen Brücken für Schwarzgeldkunden sind sich Behörden und Banken einig, dass vor allem eine Entwicklung die Steuerpflichtigen zum Umdenken bewegt: die absehbare Einführung des automatischen Informationsaustausches (AIA). Wer bis zu dessen Inkrafttreten seine Altlasten nicht bereinigt hat, riskiert, als Steuerkrimineller am Pranger zu stehen. Dazu passen Berichte, wonach der finnische Fiskus diesen Frühling Dutzende von Anfragen von Steuerpflichtigen erhalten hat, die ihre unversteuerten Vermögen in der Schweiz regularisieren möchten.
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