SyrienItalien und Türkei verstärken Militärpräsenz
05.09.2013 · An der Grenze zu Syrien treffen die Staaten Vorkehrungen für die Folgen eines möglichen Militärschlags der Amerikaner gegen das Assad-Regime. In Europa steht derweil ein Verhandlungsmarathon zur Lage in Syrien bevor.
Angesichts eines zunehmend wahrscheinlicher werdenden Luftschlags der Amerikaner gegen das Assad-Regime haben Italien und die Türkei militärische Einheiten vor die Levante und an die syrische Grenze in Marsch gesetzt.
Wie italienische Medien am Donnerstag berichteten, haben zwei Kriegsschiffe der Marina Militare Kurs Richtung Levante genommen. Der Zerstörer „Andrea Doria“ und die Fregatte „Maestrale“ sollen italienische Soldaten schützen, die im Libanon stationiert sind. Das Land stellt dort mit 1174 Soldaten das größte Kontingent der Interimstruppe der Vereinten Nationen (Unifil). Rom, heißt es, befürchte Vergeltungsangriffe der mit Assad verbündeten Hizbullah, die im Stationierungsgebiet der Unifil im Süden des Landes als mächtigster Akteur gilt.
Bundeswehr sieht keinen Handlungsbedarf
Nördlich der syrischen Grenze zieht derweil auch die Türkei Truppen zusammen, um sich auf eine mögliche Eskalation der Gewalt vorzubereiten. Der Fernsehsender NTV berichtete am Donnerstag, die türkische Armee verlege zusätzliche Einheiten mit gepanzerten Fahrzeugen an zwei Abschnitte bei Kilis und Yayladag, nördlich und westlich der umkämpften syrischen Städte Aleppo und Idlib. Bereits in den vergangenen Tagen hatte die türkische Armee ihre Verteidigungsstellungen an der 900 Kilometer langen Grenze mit Syrien verstärkt. Unter anderem wurden Flugabwehrsysteme in Stellung gebracht.
Das Verteidigungsministerium in Berlin sieht trotz der angespannten Sicherheitslage bislang keinen Grund dafür, Anpassungen für die in der Region stationierten Bundeswehreinheiten vorzunehmen. Ein Ministeriums sagte dieser Zeitung, die Einheiten befänden sich rund um die Uhr im Einsatz. Knapp 300 Soldaten sind augenblicklich im Rahmen der Luftabwehr-Mission Actice Fence im türkischen Kahramanmaras eingesetzt . Sie sollen die Region um die Stadt vor möglichen Raketenangriffen aus Syrien schützen. Weitere 150 Soldaten beteiligen sich am maritimen Anteil der Unifil. Nach Angaben des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam befänden sich augenblicklich die meisten Soldaten des deutschen Kontingents auf Zypern. Kaum eine Handvoll sei im Land verblieben, heißt es, um die Angehörigen der libanesischen Soldaten weiter zu schulen. Das Risiko für sie gilt als gering, da die sich überwiegend im Hafen von Beirut und der nördlich gelegenen christlich-maronitisch dominierten Stadt Jounieh bewegen.
Gespräche in Sankt Petersburg und Vilnius
In Europa stehen zur Syrien-Krise in den kommenden Tagen an mehreren Orten Gespräche zur Syrien-Krise bevor. Auf dem an diesem Donnerstagnachmittag beginnenden G-20-Gipfel in Sankt Petersburg ist die Lage in der Region zwar kein offizielles Thema, es wird jedoch erwartet, dass der Konflikt die Agenda der bilateralen Gespräche bestimmen wird. Am Freitag werden die 28 EU-Außenminister in Vilnius zusammentreffen, um nach einer gemeinsamen Linie im Syrien-Konflikt zu suchen.
Die Diskussion soll am Samstag fortgesetzt werden. Dann soll auch der amerikanische Außenminister John Kerry zum Treffen seiner EU-Amtskollegen in der litauischen Hauptstadt hinzustoßen. Frankreich hat den Vereinigten Staaten bereits Unterstützung für einen Militäreinsatz zugesagt. Die britische Regierung, ebenfalls zu militärischem Eingreifen bereit, wurde vom Unterhaus gestoppt. Die meisten anderen EU-Regierungen haben bisher erklärt, sie wollten keine Militäraktion und hofften weiterhin auf eine politische Lösung.
Nach jüngsten Zahlen des ZDF-Politbarometers, die am Donnerstag veröffentlicht wurden, sind in Deutschland 70 Prozent der Befragten gegen einen Militäreinsatz; 22 Prozent befürworten eine militärische Antwort. Acht Prozent sind unentschlossen. Gleichzeitig erwarten aber 65 Prozent aller Befragten, dass es demnächst zu einem Eingreifen Amerikas in Syrien kommen wird.
Knappe Mehrheit für Militäreinsatz
Obama reist derweil mit weiterer Rückendeckung aus Washington für einen Militärschlag gegen Syrien nach Russland. Der Ausschuss für auswärtige Beziehungen des Senats stimmte am Mittwochabend (Ortszeit) mit knapper Mehrheit für einen begrenzten Militäreinsatz. Mit zehn zu sieben Stimmen bei einer Enthaltung befürwortete der Ausschuss eine entsprechende Resolution des Weißen Hauses. Beide Kammern des Kongresses müssen dieser aber noch zustimmen. Die amerikanische Regierung beabsichtigt, das syrische Regime für dessen mutmaßlichen Giftgaseinsatz mit mehr als 1400 Toten vor zwei Wochen zu bestrafen.
Der Entwurf sieht eine Militäraktion vor, die höchstens 60 Tage dauern soll. Nach Ablauf dieser Frist kann Obama den Kongress bitten, den Einsatz um weitere 30 Tage zu verlängern. Die Entsendung von Bodentruppen soll weiter ausgeschlossen sein. Obama hatte immer wieder betont, dass keine Soldaten den Fuß auf syrischen Boden setzen sollen.
Bevor Obama den im Mittelmeer stationierten amerikanischen Zerstörern einen Befehl erteilen kann, soll er den Parlamentariern darlegen, dass „alle diplomatischen und friedlichen Mittel“ ausgeschöpft seien. Auch für die Attacke, die nach Ansicht der Regierung auf das Konto Assads ging, verlangen die Parlamentarier Beweise.
Mit dem Votum im Senat hat Obama nun die erste politische Hürde genommen. Das Weiße Haus begrüßte die Abstimmung in einer Mitteilung. Die knappe Mehrheit von drei Stimmen war aber bei weitem nicht der starke überparteiliche Rückhalt, auf den Obama vor seiner Abreise nach Schweden und zum G20-Gipfel nach Russland gehofft haben dürfte. Sieben von neun Demokraten und drei von acht Republikanern stimmten für die Resolution. Ein Demokrat enthielt sich.
Aufständische: Bislang keine Waffen aus Amerika
Ein Passus der Resolution erhöht zudem den Druck auf Obama, die syrischen Aufständischen mit Waffen zu unterstützen, sofern diese Kämpfer „geprüft“ worden seien und von ihnen keine terroristische Gefahr ausgehe. Damit solle die Dynamik auf dem Schlachtfeld verändert werden, heißt es. Die Bewaffnung der syrischen Rebellen beschloss der Ausschuss mit 15 zu drei Stimmen. Schon Anfang Juni hatte das Weiße Haus erklärt, die syrische Opposition mit Waffen unterstützen zu wollen. Nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ wartensie aber auch drei Monate nach diesem Versprechen noch auf Waffen. Zu groß sei die Angst, dass diese in die Hände militanter Dschihadisten fallen könnten, heißt es in dem Bericht unter Berufung auf nicht genannte Regierungsbeamte.
Die Abstimmungen in Senat und Repräsentantenhaus zu einem militärischen Eingreifen werden frühestens kommende Woche erwartet, wenn der Kongress nach seiner Sommerpause zurück an die Arbeit geht. Obama braucht dessen Zustimmung eigentlich nicht. Weil sich eine Mehrheit der Amerikaner in Umfragen aber gegen einen Angriff ausgesprochen hat, will sich Obama durch den Kongress absichern.
Kosten: „Mehrere zehn Millionen Dollar“
Auch im Repräsentantenhaus zeichnet sich mittlerweile zumindest teilweise Unterstützung für den geplanten Einsatz ab. Außenminister John Kerry stand dort am Mittwoch gemeinsam mit Verteidigungsminister Chuck Hagel und Generalstabschef Martin Dempsey den Abgeordneten des außenpolitischen Ausschusses Rede und Antwort. Der Einsatz dürfte „mehrere zehn Millionen Dollar“ kosten, sagte Dempsey auf die Frage eines Abgeordneten. Zahlreiche Kriegsgegner nahmen auf den Zuschauerrängen an der Anhörung teil. Mit Klebeband auf dem Mund und rot gefärbten Händen protestierten sie gegen eine Militärintervention.
Die große Kammer des Kongresses ist über den Ausgang des Votums weitaus gespaltener als der von den Demokraten dominierte Senat. Allerdings hatte sich am Vortag der republikanische Mehrheitsführer John Boehner hinter Obama gestellt. „Ich denke, meine Kollegen sollten diesen Aufruf zum Handeln unterstützen“, sagte Boehner.
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