Schweizer Griff nach deutschem Steuergeld
ANDRÁS SZIGETVARI, 10. September 2013, 17:59
Diskretion ist ihr oberstes Gebot: Mitarbeiter der Credit Suisse in Zürich. Gemeinsam mit einem Komplizen verschaffte Wolfgang U. den deutschen Steuerfahnder Einblick in die Geschäftspolitik der Schweizer Bank.
foto: epa/della bella alessandro
Diskretion ist ihr oberstes Gebot: Mitarbeiter der Credit Suisse in Zürich. Gemeinsam mit einem Komplizen verschaffte Wolfgang U. den deutschen Steuerfahnder Einblick in die Geschäftspolitik der Schweizer Bank.
Ein Tiroler bekam von Deutschland Geld für gestohlene Daten der Credit Suisse. Die Schweiz holt sich nun einen Teil dieses Geldes über den Umweg Österreich
Wien - Noch ist kein Cent geflossen, aber die Schweizer Bundesanwaltschaft hat im Kampf um das Erbe des Datendiebs Wolfgang U. einen entscheidenden Erfolg errungen. Das Oberlandesgericht Innsbruck hat per Beschluss entschieden, dass die von der Schweiz beantragte Beschlagnahme von rund 900.000 Euro aus der Hinterlassenschaft von U. in Österreich rechtmäßig war. Das Geld stammt ursprünglich von den Steuerbehörden in Nordrhein-Westfalen und war Teil der Entlohnung des Datendiebs. Damit werden - Ironie der Geschichte - wohl ausgerechnet die im Kampf gegen Schwarzgeld eingesetzten deutschen Steuergelder am Ende beim Schweizer Fiskus landen.
MEHR ZUM THEMA
EURO:mPAY24 - Die Online-Zahlungslösung
BANK:Bank Austria, Partner in allen Lebenslagen.
Werbung
1.000 Euro pro Konto
Zur Vorgeschichte: Der zuletzt im Schweizer Winterthur lebende Unternehmer U. war Mittelsmann beim spektakulärsten Bankdatendiebstahl der vergangenen Jahre. Gemeinsam mit einem Freund, der bei der Credit Suisse arbeitete, entwickelten sie 2008 die Idee, Daten von deutschen Steuersündern in der Schweiz zu verkaufen. Während U.s Freund die Informationen von der Credit Suisse besorgte, organisierte der Österreicher den Deal mit den Steuerbehörden in Nordrhein-Westfalen.
Zwischen März 2008 und Februar 2010 lieferten die Datendiebe Informationen über rund 2.500 Kunden an die Deutschen sowie eine Power-Point-Präsentation über Schwarzgeldbestände bei der Credit Suisse. Die Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen zahlten 2,5 Millionen Euro für die Infos. Die Gelder wurden auf mehrere Konten verteilt, neben Deutschland und Tschechien landeten rund 900.000 Euro bei einer Sparkasse in Dornbirn. Die Identität des Datendiebs flog kurze Zeit später auf, weil die Sparkasse wissen wollte, woher das Geld stammt und U. sich bei der Erklärung in Widersprüche verhedderte. Der Tiroler wurde in der Schweiz im September 2010 festgenommen, er nahm sich in der Untersuchungshaft das Leben und vererbte einen großen Teil seines Vermögens - darunter auch die 900.000 Euro - seinem Vater.
Seitdem tobt der Rechtstreit um die Hinterlassenschaft in Österreich, denn die Bundesanwaltschaft in Bern beantragte die Beschlagnahme der Gelder. Die österreichische Justiz sitzt seither zwischen den Stühlen: Nach einem deutschen Rechtsgutachten handelten die Steuerfahnder und U. legal. Das Interesse des Staates an hinterzogenen Steuern wiege schwerer als der Datenklau. In der Schweiz dagegen ist es ein klarer Fall von Wirtschaftsspionage, Datendiebstahl und Verletzung des Bankgeheimnisses. Hinzu kommt die moralische Frage: Ist ein Diebstahl nicht gerechtfertigt, wenn dadurch Steuerhinterzieher überführt werden?
Gerechtfertigter Diebstahl?
In einem ersten Entscheid 2012 wurde die Beschlagnahme der 900.000 Euro vom Oberlandesgericht Innsbruck noch wegen Formalfehlern abgelehnt. Im neuen Beschluss, der dem Standard vorliegt, sind die Richter der Argumentation der Schweizer gefolgt. Zu den strittigen Punkten gehörte die Beurteilung, ob Wolfgang U.s Handeln auch in Österreich strafbar gewesen wäre. Nur dann darf die Republik der Schweiz Rechtshilfe leisten. Die Richter in Innsbruck gehen davon aus, dass sich U. in Österreich wegen Verletzung des Datenschutzes strafbar gemacht hätte. Doch dieser Punkt ist heikel. Das Datenschutzgesetz sieht nämlich einen Rechtfertigungsgrund vor: Der Diebstahl von Informationen kann rechtmäßig sein, wenn es ein "überwiegend berechtigtes Interesse" an den Daten gibt, etwa von einer Behörde. Ob der Dieb bezahlt wird, ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich.
Die Innsbrucker Richter haben sich allerdings einer Abwägung, welches Interesse schwerer wiegt - jenes der Deutschen oder der Schweizer -, entzogen. Sie argumentieren knapp, dass es in den Akten keine "Indizien" dafür gebe, dass U. in Kenntnis des Rechtfertigungsgrunds gehandelt hat - nur dann gilt die Straffreiheit. Der Wiener Strafrechtler Robert Kert kritisiert diese Sichtweise. Im Strafprozess gelte der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten", sagt Kert. Ohne gegenteilige Beweise dürften die Richter nicht einfach die Schlechtgläubigkeit U.s annehmen. Im Schweizer Ermittlungsakt finden sich zudem zahllose Hinweise darauf, dass U. natürlich bewusst war, dass er bei der Überführung von Steuerflüchtlingen behilflich ist.
Keine Amnestie
Das Innsbrucker Verfahren drehte sich aber auch um das Steuerabkommen zwischen Österreich und der Schweiz. Dieses sieht eine Amnestie vor: Österreichische Hinterzieher, die Steuern nachzahlen, werden nicht bestraft. Die Amnestie gilt zudem für Straftaten im Zusammenhang mit dem Diebstahl von Schweizer Bankdaten. Wäre U. noch am Leben, er hätte juristisch nichts zu befürchten. Die Anwälte von U.s Vater argumentierten daher, die Beschlagnahme sei nicht mehr zulässig. Das Innsbrucker Gericht wies dies zurück, das Abkommen verbiete nur Strafverfahren und keine Folgehandlungen, wie die Abschöpfung von Geldern.
Die Anwälte der Familie U. wollen weiterkämpfen, allerdings stehen ihre Chance schlecht. Die Bundesanwaltschaft in Bern muss nun die Einziehung der Gelder in Österreich anordnen. Dies lässt sich juristisch zwar in der Schweiz bekämpfen. Aber dort ist die Rechtslage ziemlich eindeutig. Der Komplize U.s, der Bankmitarbeiter bei der Credit Suisse, hat ein Geständnis abgelegt und wurde im Dezember 2011 zu zwei Jahren bedingter Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Prozessiert wird weiterhin um die Gelder in Tschechien (ursprünglich etwas mehr als 900.000 Euro).
Für Nordrhein-Westfalen war der Ankauf der Daten übrigens lukrativ. Laut Finanzbehörden kam es im Zuge der Affäre zu 6.000 Selbstanzeigen und zusätzlichen Einnahmen in Höhe von 300 Millionen Euro. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren gegen die Credit Suisse ein. Die Bank zahlte 150 Millionen Euro Bußgeld, der Prozess wurde daraufhin eingestellt. (András Szigetvari, DER STANDARD, 11.9.2013)
http://derstandard.at/1378248664174/Schweizer-Griff-nach-deutschen-Steuermillionen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen