Kanzlei verklagt Insolvenzverwalter nehmen Beraterhonorare ins Visier
19.09.2013 · Der Fall Q-Cells schreckt die Beraterbranche auf: Wegen üppiger Honorare hat der Insolvenzverwalter die Kanzlei Hengeler Mueller verklagt. Andere Verfahren dieser Art könnten folgen.
Von Corinna Budras und Julia Löhr
Die Beratung von kriselnden Unternehmen ist ein Milliardengeschäft. Anwälte, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater verdienen prächtig daran. Nun könnte sich die Freude daran in diesen Kreisen deutlich eintrüben, denn Insolvenzverwalter nehmen die üppigen Honorare der Berater immer häufiger genau unter die Lupe – und fordern mitunter einen beträchtlichen Teil davon wieder zurück.
Jüngstes Opfer der neuen Rückforderungsfreude ist die deutsche Wirtschaftskanzlei Hengeler Mueller. Sonst eigentlich eher im Transaktionsgeschäft zu Hause, hat sie auch ein kleines, aber feines Restrukturierungsteam, das dem kriselnden Solarhersteller Q-Cells zwischen September 2011 und April 2012 auf die Sprünge helfen wollte. Das ging gründlich daneben, inzwischen rutschte das Unternehmen in die Pleite.Seitdem schaut sich der Insolvenzverwalter Henning Schorisch alle bisher bezahlten Rechnungen akribisch an. Besonders viel hatte er an jenen Honoraren zu kritisieren, die Hengeler-Mueller-Anwälte kassierten. Er wirft ihnen vor, die Sanierung noch vorangetrieben zu haben, als längst klargewesen sei, dass es keine Rettung gebe. Hengeler weist die Anschuldigungen zurück und gibt sich betont gelassen: Die Ansprüche seien unbegründet, sagt ein Sprecher.
McKinsey bleibt gelassen
Schorisch, der Ende August Klage gegen die Vorzeigekanzlei einreichte, hält sich mit öffentlichen Kommentaren zurück. „Mit Rücksicht auf das laufende Verfahren können wir keine weiteren Angaben zum Sachverhalt machen“, sagt ein Sprecher des Insolvenzverwalters der Kanzlei HWW Wienberg Wilhelm.Schon wird in der Branche spekuliert, ob der Fall noch weitere Kreise zieht, ob insbesondere die Unternehmensberatung McKinsey und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG ebenfalls ins Visier des Insolvenzverwalters geraten. Konkrete Pläne gebe es diesbezüglich noch nicht; es werde noch geprüft, ob und inwieweit gegen weitere Berater oder Verantwortliche der damaligen Q-Cells SE, die heute unter dem Namen Global PVQ SE firmiert, Forderungen gestellt oder Klagen erhoben werden.
„Bis zu einer entsprechenden Entscheidung werden wir Fragen dazu grundsätzlich nicht beantworten“, teilt der Sprecher des Insolvenzverwalters mit. Bei McKinsey, dem Marktführer unter den Strategieberatungen, legt man Gelassenheit an den Tag. Die Berater verweisen darauf, dass die Qualität der Beratungsleistungen – McKinsey war bei Q-Cells damit beauftragt, die Kosten zu senken – nicht in Abrede gestellt werde.
Schärfste Eskalationsstufe
Es gehe vielmehr um die Frage, zu welchem Zeitpunkt das Solarunternehmen Insolvenz habe anmelden müssen. KPMG lehnte jede Stellungnahme dazu ab. Offen ist zudem, um welche Summen es geht. Die Zeitung „Die Welt“ berichtete von Beträgen im hohen einstelligen Millionenbereich, die der Insolvenzverwalter von allen drei Beratungsgesellschaften einfordern könnte.Die Klage ist die wohl schärfste Eskalationsstufe in einer Reihe von Streitigkeiten zwischen Insolvenzverwaltern und Sanierungsberatern. Nur selten geraten die Meinungsverschiedenheiten in die Öffentlichkeit, häufig kommen die Parteien im Hintergrund zu einer Einigung. Auch bei Q-Cells hat es diese Bemühungen gegeben, ist aus gut informierten Kreisen zu hören. Diese sind jedoch offensichtlich gescheitert.
In dem Fall des Solarzellenherstellers gibt es die Besonderheit, dass sich die Beteiligten mit der Sanierung auf gesellschaftsrechtlich ungesichertes Terrain vorgewagt hatten – und damit vor Gericht zur Überraschung vieler scheiterten. Wenn dies nun ausreichen sollte, um Rückforderungen stellen zu können, könnte es für Sanierungsexperten schwer werden, überhaupt noch neue Wege zu beschreiten. Juristen beobachten den Fall deshalb mit Argusaugen.
Verdacht der Insolvenzverschleppung
Dabei sind Sanierungen ohnehin schon vermintes Gelände. „Beratungen in der Krise sind brandgefährlich“, warnen erfahrene Insolvenzverwalter. Schnell hat man die Staatsanwaltschaft im Haus. Fast schon routinemäßig prüfen die Ermittler, ob eine Insolvenzverschleppung vorliegt oder die Berater dabei geholfen haben. So mancher, der in diesem Bereich tätig war, hat sich nach solch unangenehmen Besuchen lieber ein anderes Betätigungsfeld gesucht.In der Beratungsbranche ist man sich durchaus bewusst, ein naheliegendes Ziel für Insolvenzverwalter auf der Suche nach Geldquellen zu sein. Honorare für Dienstleistungen zurückzufordern, gilt als vergleichsweise einfach. Will ein Insolvenzverwalter Lieferanten von Maschinen oder Produkten belangen, muss er damit rechnen, dass diese im Gegenzug ihre Ware zurückfordern. Die Erbringer geistiger Leistungen können das schwerlich tun.
Eine Falle kann auch darin liegen, dass Rechnungen zu spät gestellt werden. Der Bundesgerichtshof gibt inzwischen eine Frist von rund einer Woche für Bargeschäfte, die vom Insolvenzverwalter nicht angefochten werden können. Wer sich länger Zeit lässt, muss damit rechnen, dass er das Geld wieder zurückzahlen muss.
Tummelfeld für Berater
Bei der inzwischen insolventen Baumarktkette Praktiker ist ebenfalls von üppigen Beraterhonoraren die Rede, doch dort ist man noch weit entfernt von einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Dazu ist die Insolvenz des Mutterkonzerns noch zu frisch. Allerdings würden die entsprechenden Rückforderungsansprüche derzeit geprüft, heißt es aus gut informierten Kreisen.Die umfangreichen Sanierungsbemühungen sind gerade erst gescheitert. Auch Praktiker war bis zu seinem unrühmlichen Ende ein wahres Tummelfeld für Berater: Erst McKinsey, dann BCG, schließlich Roland Berger – alle großen Namen der Strategieberatung wurden hier in den vergangenen Jahren beauftragt.
Der bislang wohl prominenteste Fall einer öffentlichen Auseinandersetzung ist der Streit zwischen dem Finanzinvestor Kingsbridge und der Beratungsgesellschaft Alix Partners. Kingsbridge war 2006 beim angeschlagenen Modelleisenbahnhersteller Märklin eingestiegen, Alix hatte zuvor dessen Bücher geprüft, eine sogenannte „Due Diligence“ durchgeführt.
Nach der Insolvenz von Märklin 2009 bezeichnete Kingsbrigde diese Prüfung als fehlerhaft und verlangte seinen Einsatz – 30 Millionen Euro – von Alix zurück. Ein Münchner Schiedsgericht legte fest, dass Alix 14 Millionen Euro an den Investor zahlen sollte – eine Entscheidung, welche die Beratungsbranche aufhorchen ließ. Alix kündigte daraufhin an, beim Oberlandesgericht die Aufhebung des Schiedsspruchs zu beantragen. Inzwischen haben sich beide Seiten außergerichtlich geeinigt.
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