Umsetzungszeit unterschätzt
Neuerliche Aufregung um Fatca-Abkommen
Wirtschaftsnachrichten
Zum zweiten Mal haben die Amerikaner die Einführung der Fatca verschoben. Das Gesetz schafft weltweit den «gläsernen» amerikanischen Bankkunden. Davon auszugehen, dass die Fatca nicht kommt, ist jedoch Wunschdenken.
Christoph Eisenring, Washington
Manchmal tragen die Amerikaner etwas gar dick auf und deuten eine Blamage zu einem Erfolg um. Wie am Samstag kurz gemeldet, haben sie zum zweiten Mal die Einführung der «Foreign Account Tax Compliance Act» (Fatca) verschoben. Das im Frühling 2010 vom Kongress verabschiedete Gesetz sollte ursprünglich auf Anfang 2013 in Kraft treten. Nach der neuerlichen Verzögerung lautet der Termin nun auf Juli 2014. Das Finanzministerium hat trotzdem die Chuzpe, von einem «überwältigenden internationalen Interesse» zu sprechen. Mit jedem Land, das man an Bord bringe, sei man einen Schritt weiter, um den Kampf gegen die Steuerhinterziehung zu gewinnen, heisst es in einer Mitteilung.
Neun Verträge in 12 Monaten
Fakt ist indessen, dass die Amerikaner die Zeit für die Umsetzung ihres ausufernden Gesetzes massiv unterschätzt haben. Die Fatca verpflichtet weltweit alle Finanzdienstleister, Daten über amerikanische Kunden an die US-Steuerbehörde IRS zu melden. Sie müssen sich bis am 25. April 2014 (und nicht mehr 25. Oktober 2013) beim IRS registrieren und ab 2015 umfassende Daten über ihre US-Kunden nach Washington übermitteln. Wenn sie dies nicht tun, wird ihnen und ihren Kunden eine Strafsteuer von 30% auf allen Verkaufserlösen und Erträgen auf amerikanischen Wertschriften auferlegt. Faktisch sind nicht partizipierende Finanzdienstleister damit vom amerikanischen Markt abgeschnitten.
Die Amerikaner haben im Februar 2012 erstmals die Möglichkeit erwähnt, dass die Umsetzung über bilaterale Verträge erfolgt. Das jeweilige Land garantiert dann den Amerikanern, dass es bei seinen Finanzinstituten für die Durchsetzung der Fatca sorgt, dafür erlauben die Amerikaner gewisse Vereinfachungen gegenüber der ursprünglichen Fatca-Version. Seit Mitte 2012 liegen die Musterverträge vor. Doch die USA haben in zwölf Monaten nur neun Abkommen abgeschlossen: mit der Schweiz, Grossbritannien, Dänemark, Deutschland, Irland, Mexiko, Norwegen, Spanien und Japan. Laut Finanzministerium stehen die USA mit weiteren 80 Ländern in Gesprächen. Doch ist angesichts von neun Abkommen in zwölf Monaten eine neuerliche Verschiebung nicht programmiert?
Darauf zu hoffen, dass die Amerikaner das Gesetz wieder schubladisieren, wäre jedoch naiv. Das Treasury hat gewaltige Ressourcen investiert, und die USA haben Lob von Organisationen wie der OECD erhalten, die den gegenseitigen Austausch von Steuerinformationen forcieren – nicht zuletzt, um sich selbst ein neues Tätigkeitsfeld zu eröffnen. Völlig unterschätzt haben die Amerikaner aber, dass es in anderen Ländern viel Zeit braucht, um Fatca-Bestimmungen in Landesrecht umzusetzen. Dazu kommt, dass die ersten Verhandlungen sehr viel Zeit beanspruchten, weil die Amerikaner überzeugt werden mussten, dass etwa – im Fall der Schweiz – über die erste und zweite Säule der Altersvorsorge nur schwer Steuern zu hinterziehen sind. Diese wurden denn auch der Fatca ausgenommen.
Hans-Joachim Jaeger von der Beratungsfirma Ernst & Young in Zürich fühlt sich an die Einführung der Qualified-Intermediary-Bestimmungen im Jahr 2001 erinnert. Diese zwingen Banken im Ausland, US-Personen nach Washington zu melden, die in amerikanische Wertschriften investiert haben. Auch bei der Umsetzung dieser Regeln habe es ein Hin und Her zwischen der amerikanischen Steuerbehörde und den Banken im Ausland gegeben, was zu Verschiebungen geführt habe. Letztlich kam das Gesetz aber doch.
Langer Weg zur Reziprozität
Könnte nicht die Opposition von Ländern wie China das Gesetz zu Fall bringen? Jaeger hat indessen Hinweise aus Hongkong, dass China mit den USA ein entsprechendes Abkommen abschliessen wird. «Gratis» wird das Peking kaum tun. Ein «Geben und Nehmen» ist aber andernorts, etwa in den soeben angekündigten Gesprächen über ein umfassendes Investitionsabkommen mit den USA, denkbar. Laut der Zeitschrift «Daily Tax Report» haben ferner die russischen Behörden Anfang Juli Regeln eingeführt, die es Banken möglich machen, auf Begehr ausländischer Steuerbehörden Informationen offenzulegen. Damit befindet sich auch dieses Land auf dem Weg, die Fatca umzusetzen. Japan, wo sich einheimische Banken besonders beschwert hatten, hat zudem bereits ein Abkommen abgeschlossen.
Doch werden sich die Länder mit der nur beschränkten Reziprozität begnügen, die die Amerikaner derzeit anbieten können? Seit Anfang Jahr sammeln US-Banken Informationen zu Zinszahlungen an Kontoinhaber im Ausland. Diese könnten somit an ausländische Behörden transferiert werden. Doch die Fatca betrifft alle Zahlungsströme, also etwa auch Dividenden oder Wertschriftenerträge. Dazu kommt, dass Banken im Ausland den Schleier vor bestimmten Firmenkonti und Investmentvehikeln lüften und beträchtliche Beteiligungen von Amerikanern aufspüren müssen. Alle diese Anforderungen kennen amerikanische Banken derzeit nicht. Im Budgetvorschlag des Präsidenten für das Fiskaljahr 2014 steht indessen, dass die Meldepflichten für US-Banken ausgeweitet werden sollen. Damit will man den Reziprozitätsklauseln in Fatca-Verträgen nachkommen. US-Banken müssten so auch etwa den Kontostand an den IRS übermitteln und bei juristischen US-Personen die wirtschaftlich Berechtigten feststellen, um zu sehen, ob Ausländer massgeblich beteiligt sind. Es ist aber unter Rechtsexperten umstritten, ob das Finanzministerium dies in Eigenregie verfügen könnte. Darauf deutet auch die Formulierung im Budget, wonach man das Treasury mit dieser «Befugnis ausstatten will». Dies legt nahe, dass hierfür die Zustimmung des Kongresses nötig ist.
Doch mit einer Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus ist ein solches Unterfangen chancenlos. Entsprechend müssen sich die Vertragsstaaten wohl damit abfinden, dass eine umfassende Reziprozität der USA noch Jahre entfernt liegt. Der wichtigste Anreiz für die meisten Staaten bleibt aber bestehen: Sie wollen verhindern, dass ihre Finanzinstitute von den USA diskriminiert werden. Das «überwältigende Interesse» hat somit nichts mit Begeisterung, aber viel mit machtpolitischen Realitäten zu tun
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen