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Samstag, 27. Juli 2013

Ein Freund von mir hat sich die Klageerwiderung mal im Detail angesehen und aus seiner Sicht kommentiert.....

Hallo Rolf,
 
habe mir das Papier jetzt mal zur Brust genommen:
 
Der Kläger verfolgt ausdrücklich keine schuldrechtlichen Ansprüche aus der Anleihe, sondern allein sachenrechtliche Ansprüche. Diese sachenrechtliche Einkleidung der Streitigkeit wegen einer Kapitalanlage hat einen einzigen Grund: Der Kläger hat keine schuldrechtlichen Ansprüche ans der griechischem Recht unterstehenden Anleihe, die im Rahmen der Restrukturierung des Staatshaushalts auf der Grundlage eines Gläubigerbeschlusses im Umtausch gegen neue Anleihen eingezogen wurde, und eine darauf gestützte Klage wäre mangels Zuständigkeit deutscher Gerichte offensichtlich unzulässig und im Übrigen auch unbegründet.
Das wird noch zu klären sein, so hätten die Griechen das gerne.
 
Die Beklagte hat in enger Abstimmung u.a. mit den EU-Mitgliedsstaaten, der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, dem Internationaler Währungsfonds und privaten Gläubigern eine Umschuldung ihrer Staatsanleihen, darunter die streitgegenständliche Anleihe ISIN GR0110021236, durchgeführt.
Wer sind diese "privaten Gläubiger"? Die Sparkasse, Clearstream, der IIF? Wer war hier überhaupt berechtigt, für die Anleger als Endverbraucher ohne Auftrag Verhandlungen zu führen?
 
Die Umschuldung erfolgte auf der Grundlage eines griechischen Parlamentsgesetzes, das einen Rechtsrahmen für eine Modifikation von Anleihen bzw. Anleihebedingungen durch Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger - zu denen der Kläger nicht zählte - geschaffen hat.
Die Grundlage des Parlamentsgesetzes fehlt, da die vorherige nachträgliche CAC-Einführung ohne Zustimmung der Betroffenen erfolgt ist.
 
Das Landgericht Darmstadt ist außerdem unzuständig. Eine Zuständigkeit kann nicht auf Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gestützt werden. Die EuGVVO ist nicht anwendbar, da der klägerische Vorwurf sich gegen eine hoheitliche Tätigkeit der Beklagten richtet und der Rechtsstreit damit keine Zivil- oder Handelssache i.S.d. Art. 1 EuGVVO ist.
Das dürfte hinsichtlich des sachenrechtlichen Anspruchs formal korrekt sein.
 
Der Kläger war zu keinem Zeitpunkt dinglich berechtigter Inhaber der Anleihen, die Gegenstand der Umschuldung waren.
Formal korrekt, so sieht es die fiduziarische Verwahrkette vor. Der Anspruch des wirtschaftlich Berechtigten ist ein schuldrechtlicher. Das sollte auch CLLB wissen!
 
Die Anleihebedingungen werden durch die allgemeinen Gesetze der Hellenischen Republik ergänzt.
Das ist zu hinterfragen. Berechtigt das die Hellenische Republik jederzeit nach Gutdünken zu einseitigen Vertragsänderung zu Lasten der Gegenpartei?
 
Gemäß Artikel 6 Abs. 2 des griechischen Gesetzes 2198/1994 können die Teilnehmer am Girosystem der griechischen Zentralbank zwar Dritten (Investoren) Rechtspositionen in Bezug auf die Anleihen einräumen; ein solches Rechtsgeschäft wirkt jedoch nur zwischen den Parteien und hat ausdrücklich keine Wirkung gegenüber dem griechischen Staat.
Das ist genau Sinn und Zweck der fiduziarischen Verwahrkette.
 
Er kann allenfalls sog. Investor im Sinne des griechischen Gesetzes 2198/1994 gewesen sein; damit steht zugleich fest, dass
er weder einen schuldrechtlichen Anspruch aus der streitgegenständlichen Anleihe gegen die Beklagte
 noch Eigentum oder Besitz daran noch irgendeine sonstige Rechtsposition gegenüber der Beklagten erlangt haben kann.
Genau das ist die Kernfrage: verliert der Investor (Endverbraucher) jegliche schuldrechtlichen Ansprüche gegenüber einem Staat, welcher Anleihen begibt, die zum öffentlichen Börsenhandel zugelassen sind - und die sich somit auch an Endverbraucher richten?
 
Er selbst hatte allein einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Sparkasse Darmstadt in Bezug auf die streitgegenständlichen Anleihen; die Sparkasse Darmstadt wiederum hatte ebenfalls allenfalls eine wirtschaftliche Position an den Staatsanleihen, die ihr - vermutlich über eine mehrstufige Kette aus Finanzinstituten - treuhänderisch vermittelt wurde.
Wichtige Feststellung, siehe Anmerkung unten!
 
Sie entschied sich für Letztere, als Ergebnis enger Beratungen zwischen der Hellenischen Republik, dem öffentlichen
Sektor (EU-Mitgliedsstaaten, Europäische Kommission, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds) und privaten Gläubigern (u. a. dem International Institute of Finance (IIF) und verschiedenen ausländischen und inländischen
Finanzinstituten).
 (Anmerkung: Zu den Mitgliedern des IIF zählt der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, die Dachorganisation der Sparkassen-Finanzgruppe, der die Sparkasse Darmstadt angehört.)
Jetzt wird es unlogisch! Wenn die Sparkasse auch lediglich wirtschaftlich Berechtigter (also kein Gläubiger) war, wieso ist sie als Mitglied des IIF über ihre Dachorganisation berechtigt, an Umschuldungsverhandlungen teilzunehmen? Die Verhandlungen wurden ja angeblich nur mit privaten Gläubigern geführt. Die Kausalkette hat hier einen Riss!
 
Das griechische Gesetz 4050/2012 vom 23. Februar 2012 schuf die rechtlichen Grundlagen für den collective-action-Prozess. Auf Grundlage dieses Gesetzes waren die Anleihegläubiger der „Eligible Titles“ aufgerufen, über eine vorgeschlagene Änderung der „Eligible Titles“ abzustimmen, die, sofern die erforderliche Mehrheit den Vorschlag annehmen würde, nach Billigung des Gläubigerbeschlusses durch den Ministerrat für alle Anleihegläubiger verbindlich wurde.
Dieses Gesetz hätte ohne vorhergehende nachträgliche Änderung der ALB gar nicht greifen können!
 
Anleihegläubiger waren gemäß anwendbarem griechischen Recht (Artikel 6 des Gesetzes 2198/1994) sowie den Anleihebedingungen (vgl, Offering Circular, Anlage B-l) nur die Teilnehmer am Girosystem der griechischen Zentralbank.
Dies wurde ausdrücklich in Artikel 1 Abs. 1 lit. f des Gesetzes 4050/2012 bestätigt. Zwischenverwahrer, Endinvestoren oder sonstige Anleger mit einer wirtschaftlichen Position in Bezug auf die Anleihen wie der Kläger waren keine Anleihegläubiger in diesem Sinne.
Was berechtigt dann den Sparkassen- und Giroverband dazu, über den IIF an den Umschuldungsverhandlungen teilzunehmen?
 
Die beklagte Hellenische Republik genießt für hoheitliches Handeln (acta iure imperii) Immunität. Deutsche Gerichte sind nicht berufen, über die Rechtmäßigkeit hoheitlichen Handelns eines ausländischen Staates zu urteilen. Nach
geltendem Völkerrecht unterliegt ein Staat nicht der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates, wenn und soweit es um die Beurteilung seines hoheitlichen Verhaltens geht
.
Genau dies gilt es zu klären, da ja die Begebung der Anleihen indirekt auch auf Endverbraucher in anderen Jurisdiktionen zielte.
 
„ Maßgebend für die Unterscheidung zwischen Akten iure imperii und iure gestionis kann vielmehr nur die Natur der staatlichen
Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses sein, nicht aber Motiv oder Zweck der Staatstätigkeit. Es kommt also darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt, also öffentlich-rechtlich, oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist. [...]"
Volltreffer! Schuldrechtliche Verträge mit Endverbrauchern fallen wohl unter das Privatrecht.
 
So ist bereits der Anwendungsbereich der EuGVVO nicht eröffnet, da es sich vorliegend nicht um eine Zivil- oder Handelssache i.S.d. Art. 1 Abs. 1 EuGVVO, sondern um eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit handelt.
Dann gilt im Umkehrschluß, daß für Zivil- und Handelssachen (schuldrechtliche Verträge über Verwahrkette mit Endverbrauchern) sehr wohl das EuGVVO anwendbar ist.
 
 
Mein Fazit: die Klageerwiderung ist hinsichtlich der sachenrechtlichen Aspekte wohl begründet, aber nur diesbezüglich. Die schuldrechtlichen Ansprüche können damit aber nicht abgewehrt werden.
Es kann nicht sein, daß Anleger als Endverbraucher keinerlei schuldrechtliche Ansprüche gegenüber einem ausländischen Emittenten von Anleihen haben, nur weil aus Handhabungsgründen eine Verwahrkette dazwischengeschaltet ist. Der Endverbraucher ist wirtschaftlich Berechtigter, der Emittent wirtschaftlicher Nutzer der eingeworbenen Gelder. Um solche Ansprüche zu verhindern hätte Griechenland den Vertrieb an Endverbraucher untersagen müssen - was aber nicht gewollt war und auch nicht erfolgt ist.

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