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Freitag, 5. Juli 2013

Italiens Schulden steigen kräftig. Das war einmal anders geplant. Jetzt freut sich die Regierung Letta über Ausnahmeregeln aus Brüssel.

SchuldenkriseIn Italien rückt ein ausgeglichener Haushalt in weite Ferne

 ·  Italiens Schulden steigen kräftig. Das war einmal anders geplant. Jetzt freut sich die Regierung Letta über Ausnahmeregeln aus Brüssel.
© F.A.Z.
„Wir haben es geschafft“, jubelte Italiens Ministerpräsident Enrico Letta über die neueste Brüsseler Ausnahme. Davon erhofft sich die italienische Regierung mehr Spielraum für den Haushalt des kommenden Jahres. Denn nun sieht man sich in Rom nicht mehr in der Pflicht, das Haushaltsdefizit so schnell wie möglich zum verringern, wie es eigentlich im Fiskalpakt vorgeschrieben wäre. Für bestimmte Zukunftsinvestitionen könne Italien damit vom Pfad der Verringerung des Defizits abweichen, so lange man nur unter der Schwelle von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bleibe, lautet die italienische Interpretation.
In der Praxis bedeutet dies, dass die italienische Regierung im Moment das Defizit konstant bei 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts halten will: Für 2013, das Jahr, für das ursprünglich Null Defizit versprochen wurde, wird nun ein Planziel von 2,9 Prozent des BIP angestrebt. Für 2014 lautete der Planwert zunächst 1,8 Prozent des BIP. Nun ist aber wegen der schlechteren Konjunktur von 2,6 Prozent die Rede. Doch die italienische Regierung sieht nun den Spielraum, 6 Milliarden Euro zusätzlich für zukunftsträchtige Investitionen auszugeben und damit weiter bei einem Defizit von 3 Prozent des BIP zu bleiben.
Zugleich sieht sich Schatzminister Fabrizio Saccomanni in seinen Vorhaben bestätigt, unter keinen Umständen das Defizit über die Schwelle von 3 Prozent des BIP wachsen zu lassen, wie es in Italien von Politikern und Wirtschaftsprofessoren gefordert worden war. Denn die Voraussetzung für die nun von der Europäischen Kommission zugestandenen größeren Flexibilität bei der Haushaltsplanung ist der Umstand, dass Italien gerade aus dem Verletzungsverfahren für Überschreitung der Defizitgrenze entlassen wurde.
Die Bedingungen, unter denen die EU-Kommission künftig „Zukunftsinvestitionen“ von Mitgliedstaaten im EU-Stabilitätspakt wohlwollender beurteilen will als normalerweise, sind am Mittwoch genauer festgelegt worden: Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte im Europaparlament in Straßburg, dies solle nur möglich sein, wenn der betreffende Staat in Projekte investiere, die aus bestimmten EU-Fonds kofinanziert seien und einen „direkten und nachweisbaren“ positiven Langfristeffekt auf den Staatshaushalt hätten. Die Brüsseler Behörde will darüber im Einzelfall entscheiden.
Die neue Regel geht auf einen Auftrag der EU-Staats- und Regierungschefs zurück. Sie hatten im Dezember auf Wunsch Frankreichs die Interpretation des Pakts beschlossen, wonach „Zukunftsinvestitionen“ besonders gewürdigt werden sollen, so lange das Haushaltsdefizit nicht die Schwelle von 3 Prozent des BIP überschreitet und deswegen kein Verfahren eröffnet wurde. In dieser Situation, im sogenannten „präventiven Arm“ des Pakts, soll die EU-Kommission die Haushaltsführung jedes Staats unabhängig von der jeweiligen Konjunkturlage beurteilen. Grundsätzlich sollen die Länder nicht mehr als ein Staatsdefizit von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung aufweisen. Von dieser Vorgabe kann die Kommission die „Zukunftsinvestitionen“ nun ausnehmen. Weil gegen Frankreich ein Verfahren wegen der Verletzung der Defizitgrenze läuft, kommt dessen Regierung nicht in den Genuss der neuen Regel.
Italiens Schatzminister hat dagegen vor allem im laufenden Jahr große Schwierigkeiten, selbst relativ kleine Beträge für Gesetzesinitiativen der Regierung Letta zu finden, ohne die Steuern zu erhöhen oder die 3 Prozent-Schwelle zu verletzen. Gerade wurde eine Initiative zugunsten von arbeitslosen Jugendlichen beschlossen, für die 1,5 Milliarden Euro oder 0,1Prozent des BIP ausgegeben werden sollte. Zudem wurde die bereits beschlossene Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1Prozentpunkt um drei Monate aufgeschoben, was ebenfalls 1 Milliarde Euro kostet. Doch zur Gegenfinanzierung verlangt Saccomanni nun für Dezember2013 unter anderem höhere Abschlagszahlungen für Steuern von 2013, von bis zu 110 Prozent der Abgaben des Vorjahres, und bezeichnet dies als einen „weichen Kredit“ der Unternehmer.
Während sich die Diskussion in Italien vor allem um das Haushaltsdefizit dreht, steigen die Schulden weiter, zuletzt im April auf 2041 Milliarden Euro. Weil das BIP 2012 um 2,4Prozent geschrumpft ist und 2013 weiter sinken soll, führen Haushaltsdefizite von 3 Prozent des BIP zu einer Verschlechterung der Relation von Staatsschulden und Volkseinkommen.

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