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Sonntag, 25. August 2013

Adam Smith hat als Erster den Wert des Ego-Kapitalismus erkannt: Der Eigenliebe des Bäckers ist es zu danken, dass wir satt werden

Adam SmithDer Segen des Egoismus

 ·  Adam Smith hat als Erster den Wert des Ego-Kapitalismus erkannt: Der Eigenliebe des Bäckers ist es zu danken, dass wir satt werden. Aus unserer Serie „Die Weltverbesserer“.
© ULLSTEIN BILDAdam Smith (1723-1790)
Adam Smith gehört zu den Riesen der Volkswirtschaftslehre, auf deren Schultern die heutigen Ökonomen als dankbare Zwerge stehen. Dabei beschäftigte er sich erst spät mit ökonomischen Fragestellungen. Nach einer wissenschaftlichen Karriere als Professor für Logik und Moralphilosophie stellte er sein volkswirtschaftliches Opus Magnum „Der Wohlstand der Nationen - eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen“ erst im Alter von 53 Jahren fertig.
Der Erfolg war schon damals groß, und er erwies sich als äußerst nachhaltig. In den fünf Büchern des „Wohlstands der Nationen“ legt Smith die Basis für die Volkswirtschaftslehre als eigenständige Wissenschaft. Er beschreibt die Prinzipien der Arbeitsteilung, der Bestimmung von Löhnen und Preisen, Gewinnen und der Bodenrente. Er erklärt die Funktionen des Geldes und des Finanzsystems. Kritisch setzt er sich mit den damals üblichen Handelsschranken auseinander. Das fünfte Buch widmet sich den öffentlichen Einnahmen und Ausgaben sowie dem Problem der Staatsverschuldung.

Die Angst vor der Globalisierung war damals so verbreitet wie heute

Auch 237 Jahre nach seinem Erscheinen ist der „Wohlstand der Nationen“ ein gut zu lesendes und in einigen Punkten nach wie vor hochaktuelles Buch. So setzt Smith sich intensiv mit der Angst vor der Globalisierung der Märkte auseinander, die damals so verbreitet war wie heute. Smith kommt dabei zu einem - zumindest für das 18. Jahrhundert - alles andere als selbstverständlichen Schluss: Der ungehinderte Austausch von Waren über die Landesgrenzen hinweg ist keine Gefahr für den Wohlstand der Nationen, sondern vielmehr eine entscheidende Quelle des Wohlstands.
Adam Smith leitet dies aus der Arbeitsteilung ab, deren Ergebnisse ihn beeindruckten. „Ein Arbeiter, der noch niemals Stecknadeln gemacht hat und auch nicht dazu angelernt ist (erst die Arbeitsteilung hat daraus ein selbständiges Gewerbe gemacht), so dass er auch mit den dazu eingesetzten Maschinen nicht vertraut ist (auch zu deren Erfindung hat die Arbeitsteilung vermutlich Anlass gegeben), könnte, selbst wenn er fleißig ist, täglich höchstens eine, sicherlich aber keine zwanzig Nadeln herstellen.“
Durch die Aufteilung der Herstellung auf 18 unterschiedliche Arbeitsvorgänge komme es zu einem unglaublichen Produktivitätsgewinn: „Ich selbst habe eine kleine Manufaktur dieser Art gesehen, in der nur zehn Leute beschäftigt waren, so dass einige von ihnen zwei oder drei solcher Arbeiten übernehmen mussten. Obwohl sie nun sehr arm und nur recht und schlecht mit dem benötigten Werkzeug ausgerüstet waren (...), waren die 10 Arbeiter imstande, täglich etwa 48.000 Nadeln herzustellen.“
Wenn die Arbeitsteilung die entscheidende Grundlage für den Wohlstand der Nationen bildet, ist es für Smith naheliegend, das Potential hierfür durch offene Märkte so weit wie möglich zu nutzen. Die Angst vor der Globalisierung, die im vergangenen Jahrzehnt auch in Deutschland die Diskussion beherrschte, ist also ein schlechter Ratgeber. Denn bei allen Schattenseiten der Globalisierung ist Adam Smith zuzustimmen, dass dabei der Wohlstand fast aller Nationen gestiegen ist.

Die unsichtbare Hand

Große Aktualität besitzen auch die Gedanken von Adam Smith über den Egoismus in einem marktwirtschaftlichen System. Während manche Hobby-Ökonomen im Ego-Kapitalismus einen Kalten Krieg mit für alle Beteiligten nachteiligen Folgen sehen, kommt Adam Smith zu einem völlig anderen Befund: „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil.“ Und genau dadurch, folgert Smith, ergibt sich eine für die Allgemeinheit vorteilhafte Entwicklung der Wirtschaft. Der von seinem Egoismus getriebene Unternehmer werde „von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, den zu erfüllen er in keiner Weise beabsichtigt hat.“
Wie kommt es zu dieser wundersamen Transformation? Versetzen wir uns in die Situation eines Bäckers in einer kleinen Stadt. Wenn er egoistisch ist und einen hohen Gewinn erzielen möchte, bleibt ihm letztlich nichts anderes übrig, als dauerhaft gute und schmackhafte Backwaren herzustellen. Es ist also gerade sein Egoismus, der ihn zwingt, so weit wie möglich die Wünsche seiner Kunden zufriedenzustellen. Nicht viel anders als dem Bäcker ergeht es allen Unternehmen, die dauerhaft erfolgreich sein wollen. Aus ihrem Eigeninteresse heraus müssen sie den Interessen ihrer Abnehmer gerecht werden. Aber wieso kann es dann in einer Marktwirtschaft zu Fehlentwicklungen kommen, wie wir sie in den Jahren vor der Finanzkrise beobachten konnten?
Adam Smith hielt es nicht für erforderlich, seine Leser darauf hinzuweisen, dass die wundersame Transformation durch die „unsichtbare Hand“ nur dann funktioniert, wenn die Akteure einen langfristigen Zeithorizont haben. Bei Managern, die wie viele Investment-Banker nur auf das schnelle Geld aus sind, führt der Egoismus zum Desaster für alle. Die Herausforderung besteht also darin, in möglichst allen Bereichen des Wirtschaftslebens die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Akteure langfristig denken. Dann, so die Lehre von Adam Smith, ist es für die Wirtschaft letztlich zweitrangig, ob wir es mit Egoisten oder Altruisten zu tun haben.
Überraschend aktuell sind auch seine Ausführungen zur Einkommensverteilung. „Ganz sicher“, schreibt Smith, „kann keine Nation blühen und gedeihen, deren Bevölkerung weithin in Armut und Elend lebt.“ Reichlicher Unterhalt erhöhe den körperlichen Einsatz des Arbeiters. „Dort wo die Löhne hoch sind, finden wir daher die Arbeiter immer fleißiger, gewissenhafter und schneller bei der Hand als dort, wo sie niedrig sind.“
Die Bedeutung der Einkommensverteilung für das nachhaltige Wachstum von Volkswirtschaften hat in den vergangenen Jahren eine zunehmende wissenschaftliche Beachtung gefunden. So kommt eine neuere Studie des Internationalen Währungsfonds - ähnlich wie Adam Smith - zu dem Ergebnis, dass der Einkommensverteilung eine Rolle für ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum zukommt. Und ganz im Sinne von Smith versucht Chinas Führung derzeit, über eine gerechtere Einkommensverteilung ein neues Wachstumsmodell zu finden.
Der Autor lehrt Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und ist Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Quelle: F.A.S.

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