Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Sonntag, 25. August 2013

Wenn Privatkunden Aktien kaufen und verkaufen, bekommen sie nur noch selten Beratung. Die Regulierungswut verunsichert die Bankberater - und geht zu Lasten des Anlegers.

Wegen strenger RegulierungDie Beratung wird vielen Banken zu riskant

 ·  Wenn Privatkunden Aktien kaufen und verkaufen, bekommen sie nur noch selten Beratung. Die Regulierungswut verunsichert die Bankberater - und geht zu Lasten des Anlegers.
© F1ONLINERückläufig: Die Beratungsquote von Banken bei Aktiengeschäften ist inzwischen besorgniserregend
Beratungsprotokolle und Bafin-Register verunsichern nicht nur die Bankberater, sie gehen auch zu Lasten der Anleger. Nach einer Auswertung der DWP Bank, des größten deutschen Wertpapierabwicklers, ist die Beratungsquote bei Aktiengeschäften inzwischen besorgniserregend. Wie aus einer Analyse des Instituts, das jährlich rund 20 Millionen Wertpapiertransaktionen für Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie 30 Privatbanken abwickelt, hervorgeht, erfolgen nur noch 2 Prozent der Aktientransaktionen von Privatanlegern auf Basis einer Beratung durch die Bank. Die Auswertung beruht auf mehr als einer Million Privatanlegerdepots. Nur noch jeder 50. Order bei den 160 Werten aus der Dax-Familie ist demnach ein Beratungsgeschäft vorangegangen.
„Die Regulierungswelle hat definitiv dazu geführt, dass Beratung bei Aktiengeschäften nahezu nicht mehr stattfindet und somit der Anleger auf sich gestellt ist“, sagte Markus Walch, Vorstandsvorsitzender der DWP Bank, dieser Zeitung. Seiner Ansicht nach haben die vielen gesetzlichen Initiativen ihr Ziel verfehlt. Da bei Online-Brokern wie Comdirect oder DAB Bank fast alle Aktientransaktionen ohne Beratung erfolgen, dürfte die Beratungsquote sogar noch niedriger liegen.

Datenbank für Kundenbeschwerden

Seit Anfang 2010 sind die Bankberater gesetzlich dazu verpflichtet, über jede Anlageberatung ein Protokoll anzufertigen. Dieses müssen sie unterzeichnen und dem Kunden aushändigen. Damit soll die Position der Kunden in Rechtsstreitigkeiten verbessert werden. Ausgenommen von der Protokollpflicht sind einfache Anlagen wie Tages- oder Festgeld. Einige Banken gehen nun dazu über, die Anlageprotokolle auch von den Kunden unterzeichnen zu lassen, um wiederum die Rechtsposition ihrer Berater zu verbessern. Oder sie gehen noch weiter, wie der Vorstandschef der Volksbank Göppingen, Peter Aubin, dieser Zeitung sagte: „Es gibt inzwischen Regionalbanken, die aufgrund des hohen Risikos die Wertpapierberatung eingestellt haben und nur noch Kauf- oder Verkaufaufträge ausführen.“ Die Überregulierung der Banken bezeichnet er als Katastrophe. „Wir beschäftigen uns nur noch mit uns selbst, weil ständig neue Anfragen oder Meldeanforderungen der Bundesbank oder der Bafin bearbeitet werden müssen und immer neue regulatorische Anforderungen umzusetzen sind“, kritisiert Aubin.
Aber auch viele Berater werfen inzwischen das Handtuch. Diese Zeitungdokumentierte Anfang dieser Woche die Kapitulation eines Bankberaters, der sich durch Protokolle und standardisierte Produkte entmündigt fühlt. Dazu trägt auch das im November 2012 eingeführte Beraterregister der Finanzaufsicht Bafin bei. In dieser Datenbank werden von Bankberatern persönliche Daten, Angaben zum Tätigkeitsprofil und beruflichen Werdegang sowie die Kundenbeschwerden gespeichert. Selbst solche, die unberechtigt sind oder zurückgenommen werden, bleiben in der Datenbank, weil nach Ansicht der Finanzaufsicht die bloße Zahl der Beschwerden Indiz sein kann für einen hohen Verkaufsdruck in bestimmten Filialen.

Einbruch der Wertpapiertransaktionen

Zum 30. Juni enthielt das Mitarbeiter- und Beschwerderegister nach Angaben einer Bafin-Sprecherin Meldungen zu 187969 Bankmitarbeitern. Davon entfällt der Großteil auf Anlageberater, aber auch Vertriebskräfte oder Compliance-Beauftragte sind erfasst. Mit dem englischen Begriff Compliance werden die Abteilungen in Unternehmen bezeichnet, die auf die Einhaltung von Rechts- und Aufsichtsvorschriften achten. Insgesamt hat die Bafin inzwischen 7443 Beschwerden gesammelt. Davon entfallen 2293 auf Sparkassen und Landesbanken, 1640 auf Volks- und Raiffeisenbanken und 3462 auf Privatbanken wie Deutsche Bank oder Commerzbank. Darüber hinaus gab es 48 Beschwerden zu Mitarbeitern sonstiger Finanzdienstleister. Insgesamt hat die Bafin in sechs Fällen wegen fehlerhafter Beratungsprotokolle Bußgelder verhängt. Drei entfallen auf das vergangene Jahr und drei auf das laufende. Diese Bußgelder können bis zu 10.000 Euro betragen.
Im Oktober 2012 hatten die Volksbank Göppingen und drei ihrer Mitarbeiter Verfassungsbeschwerde gegen das Beraterregister der Bafin eingereicht. Sie berufen sich unter anderem auf Berufsfreiheit, weil die Aufsicht ohne Gerichtsverfahren Beschäftigungsverbote verhängen kann, sowie auf den Gleichheitsgrundsatz, weil das Register nur Bankberater, aber nicht freie Vermögensberater betrifft. Bislang ging bei der Volksbank Göppingen nur eine Eingangsbestätigung zur Verfassungsbeschwerde ein. An seiner Kritik hält Vorstandschef Aubin fest: „Es ist nahezu unmöglich alle Beratungsprotokolle fehlerfrei auszufüllen.“ Es störe auch den Kunden, wenn die Berater ihn fast schon inquisitorisch ausfragen müssten, ob er zum Kauf einer Aktie geeignet sei. Das alles führe dazu, dass Banken und Berater dazu übergingen, statt Wertpapiere nur noch einfache Anlageprodukte zu empfehlen.
Ein Trend, der sich auch in den Zahlen der DWP Bank im vergangenen Jahr widerspiegelt. Zuletzt sind die Wertpapiertransaktionen nach Angaben eines Sprechers zwar wieder gestiegen. Aber im Vorjahr sind sie um fast ein Viertel auf 19,4 Millionen eingebrochen. Trotz der Erholung der Transaktionen im ersten Halbjahr verzeichnet die DWP Bank weiterhin die Schließung zahlreicher Depots.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen