BerlinZunehmender Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, ungebremste Abwanderung von Unternehmen ins Ausland, stark gestiegene Lohnstückkosten (seit Einführung des Euros plus 30 Prozent), höchste Steuer- und Abgabenlast der Euro-Zone: Was das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin über den wirtschaftlichen Zustand Frankreichs zusammengetragen hat, klingt – vorsichtig ausgedrückt – nicht gerade schmeichelhaft. Angesichts der harschen Kritik aus Paris an der Europapolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) könnte man meinen, die Beamten von Ressortchef Philipp Rösler (FDP) würden gezielt die Wirtschafts- und Industriepolitik des Nachbarlands schlecht reden. Doch die Wahrheit ist eine andere.
Führende Ökonomen in Deutschland kommen zu derselben Einschätzung wie das Rösler-Ministerium. Sie zeichnen teilweise ein noch düstereres Bild für Frankreich, aber auch für den Rest der Euro-Zone, sollte die Grande Nation jetzt nicht nötige Reformen beherzt anpacken. „Frankreich ist aus meiner Sicht mit die größte Reformbaustelle in Europa“, sagt etwa Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. Dennoch zögere die französische Regierung immer noch damit, ein durchgreifendes Reformprogramm auf den Weg zu bringen, wohl auch weil man den Konflikt mit den Gewerkschaften fürchte.
Es ist ein Spiel mit dem Feuer – auf Kosten der gesamten Euro-Zone. „Falls sich der politische Stillstand in Frankreich fortsetzt und damit der Glaube in die Reformfähigkeit Frankreich noch stärker geschwächt wird, könnte dies auch zu einer neuen Welle der Unsicherheit an den europäischen Finanzmärkten führen“, schätzt Bielmeier. Gerät das Land ins Wanken, kämen jedoch die Euro-Retter selbst gehörig unter Druck. Denn die bestehenden Krisen-Instrumente dürften aus Sicht des DZ-Bank-Experten nicht ausreichen, um die zweitgrößte Euro-Volkswirtschaft aufzufangen.
„In Anbetracht der Größe Frankreichs würden die vorhandenen Rettungsmechanismen kaum ausreichen, die Lage zu beruhigen.“, sagte Bielmeier. „Daher bräuchte man in einem solchen Fall die klaren Solidaritätsbekundungen der anderen großen Euroländer, insbesondere Deutschlands, um das Vertrauen wieder herzustellen.“ Dann könnte aber, befürchtet Bielmeier, der Schritt hin zu Euro-Bonds nicht mehr groß sein.
Wie kommt es, dass Frankreich dermaßen in Schwierigkeiten steckt? Und warum handelt die Regierung nicht? Die führenden deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute hatten erst jüngst in ihrem Frühjahrsgutachten für die Bundesregierung dem französischen Patienten eine bittere Diagnose gestellt.
Vergleich: Deutschland vs. Frankreich
Wachstum
Frankreich: Die Wirtschaft wächst viel langsamer. Die EU-Kommission traut der zweitgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone in diesem Jahr lediglich ein Plus von 0,2 Prozent zu, das 2013 mit 0,4 Prozent nur einen Tick größer ausfallen soll. Grund dafür ist der maue Konsum: Er dürfte sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr angesichts der hohen Arbeitslosigkeit stagnieren.
Deutschland: Jeweils 0,8 Prozent Wachstum sagt die EU-Kommission für 2012 und 2013 voraus. Garant dafür ist der private Konsum. Er wird nach der Prognose in beiden Jahren um jeweils ein Prozent zulegen. Dafür sollen die Rekordbeschäftigung und spürbare Lohnzuwächse sorgen.Schulden
Wettbewerbsfähigkeit
Industrie
Arbeitskosten
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