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Samstag, 27. April 2013

Wer vor diesem Hintergrund nach einer Vermögensabgabe ruft, der ruft offen zum Verfassungsbruch auf // dass die Vermögensabgabe in Friedenzeiten gänzlich rechtswidrig und nur dem Kriegsfall Vorbehalten sei.


Standpunkt: Marco Buschmann
Verfassungsbruch durch Vermögensabgabe

FAZ


Marco Buschmann ist rechtspolitischer
Sprecher der
FDP-Bundestagsfraktion. Fotodpa


Unter den Sparern Europas geht die
Angst um. Denn Zypern liebäugelt
mit einer Vermögensabgabe,
um den Eigenanteil für ein Restrukturierungsprogramm
zu stemmen, das den eigenen
Staatsbankrott abwenden soll. Viele
Menschen sorgen sich, dass dieses Instrument
in ganz Europa unter Politikern
Schule machen könnte.
Der Gedanke scheint nicht unbegründet:
In Deutschland empfahl die politische
Linke erst kürzlich wieder die Vermögensabgabe,
um die angeblichen
„Raubzüge der Vermögenden“ zu restituieren.
Die Grünen bestätigen in diesem
Kontext den journalistischen Befund von
„Bild“ bis „Süddeutscher Zeitung“, dass
sie mittlerweile programmatisch der
Linkspartei näher stehen als der SPD.
Denn eine Vermögensabgabe in Höhe
von 15 Prozent findet sich nicht nur in ihrem
Programm wieder. Weitgehend unbemerkt
von der Öffentlichkeit haben sie
schon im vergangenen September einen
entsprechenden Gesetzentwurf - freilich
erfolglos - ins Parlament eingebracht.
All dies sorgt für Verunsicherung. Menschen,
die für ihr Alter privat vorgesorgt
und gespart haben, fragen sich, ob sie am
Ende die Dummen sind. Sparer fragen
sich, ob es klug ist, Teile ihres Vermögens
für Investitionen etwa in die eigene Immobilie
zu nutzen. Mittelständler fragen sich,
ob sie eigenes Geld in ihren Betrieb investieren
sollen. Denn unter dem Damoklesschwert
einer drohenden Vermögensabgabe
müsste man die eigenen Mittel wohl
eher „flüssig halten“. Die Vermögensabgabe
ist nämlich bar zu leisten, während in
ihre Bemessung gerade auch das illiquide
Vermögen wie Immobilien oder Betriebsvermögen
einfließt. Wer kein Geld hat,
um sie zu bezahlen, der muss die gebundenen
Vermögensgegenstände möglicherweise
deutlich unter Wert „zu Geld machen“.
Neben den Vermögensverlust durch die
Abgabe tritt der Vermögensverlust durch
suboptimale Vermögensliquidation.
Doch in Deutschland kann man über
das Instrument einer Vermögensabgabe
spekulieren, wie man möchte. Die Politik
wird es nicht einmal dann durchsetzen
können, wenn es Mehrheiten dafür im
Parlament gäbe. Denn eine Vermögensabgabe
ist in Deutschland schlicht verfassungswidrig!
Dies folgt schon aus dem Wesen der
Vermögensabgabe: Sie unterscheidet sich
von der Vermögensteuer dadurch, dass
sie einmalig erhoben wird und der Abwehr
einer finanzpolitischen Notstandslage
dient, die den Bestand des Staates bedroht.
Ihren einmaligen Ausnahmecharakter
belegen insbesondere die historischen
Materialien zur Entstehung unserer
Verfassung. Aus den Protokollen des
Finanzausschusses des Parlamentarischen
Rates geht hervor, dass die Mütter
und Väter des Grundgesetzes den Anwendungsbereich
für eine Vermögensabgabe
nur bei staatlichem Notstand oder zwingenden
Umständen historisch einzigartiger
Geschehnisse gegeben sahen.
Daher ist auch das Votum der Staatsrechtswissenschaft
eindeutig: Der Verfassungsrechtler
Gregor Kirchhof hält die
Vermögensabgabe nur in einer solchen Situation
für zulässig, die so außergewöhnlich
ist, dass sie vermutlich nicht wieder
auf treten wird. Die historische Einmaligkeit
der Vermögensabgabe, die ihr Wesen
ausmacht, muss sich gewissermaßen auch
auf der Seite ihrer rechtlichen Voraussetzungen
widerspiegeln. Sie darf nicht zum
Regelinstrument werden. Lothar Schemmel
geht in seinem Gutachten für den
Bund der Steuerzahler sogar so weit, dass
die Vermögensabgabe in Friedenzeiten
gänzlich rechtswidrig und nur dem Kriegsfall
Vorbehalten sei.

Dieser Ausnahmecharakter einer verfassungskonformen
Einführung der Vermögensabgabe
ergibt sich auch aus der
Systematik des Grundgesetzes. Stünde es
dem Bundestag frei, mehr oder weniger
nach politischer Opportunität am Bundesrat
vorbei eine Vermögensabgabe einzuführen,
könnte er die grundsätzliche Wertung
des Grundgesetzes, dass nämlich
Einnahmen aus der Besteuerung des Vermögens
den Ländern zustehen, einfach
aushebeln. Daher müssen ganz außergewöhnliche
Gründe vorliegen, um diese
vom Grundsatz abweichende Finanzverteilung
zu rechtfertigen. Darauf werden
übrigens insbesondere die Anhänger einer
allgemeinen Vermögensteuer in den
Finanzministerien der Länder mit Argusaugen
wachen.
Von der Erfüllung dieser strengen Voraussetzungen
ist die Lage Deutschlands
weit entfernt: Die Staatseinnahmen bewegen
sich auf Rekordniveau. Die mittelfristige
Finanzplanung des Bundes sieht
für 2015 ein Ende der Neuverschuldung
und ab 2016 die Tilgung von Altschulden
vor. Konjunkturell steht Deutschland uneinholbar
an der Spitze Europas, so dass
auch die wirtschaftliche Basis für die
hohen Staatseinnahmen als gesichert
erscheinen darf. Niemand kann in
Deutschland - ganz anders als in Zypern
- ernsthaft von einer existenziellen Bedrohung
des Staates sprechen. Wer vor
diesem Hintergrund nach einer Vermögensabgabe
ruft, der ruft offen zum Verfassungsbruch
auf


1 Kommentar:

  1. Eine Vermögensabgabe einzuführen ist falsch und sogar, wie im Artikel beschrieben rechtswidrig. Dennoch haben die Grünen nicht unrecht mit der Aussage: „Wir haben einen hohen Bedarf an Investitionen in Infrastruktur, Bildung und für die Energiewende. Deutschland lebt auf Kosten der Substanz. Dies zeigt sich zum Beispiel ganz dramatisch am Zustand der Brücken.“ (Quelle: http://www.marktundmittelstand.de/nachrichten/strategie-personal/vermoegensabgabe-zielt-auf-hohe-vermoegen/ )
    Klar ist, dass diese Gelder benötigt werden. Klar ist aber auch, dass hier keine Rechtswidrigkeit begangen werden darf. Es gibt mit Sicherheit andere Möglichkeiten an diese Gelder zu kommen.

    Gruß,
    W.

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