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Samstag, 22. Juni 2013

Die fortgesetzte Rettungspolitik à la Tina (there is no alternative) ist zudem kein Grund für finnische, österreichische, italienische oder deutsche Steuerzahler, für Hauskredite zu haften, die Boni-Banker in Irland oder Spanien vergeben haben.

BankenunionRettungspolitik à la Tina

 ·  Für die Fehlspekulation nationaler Banken haftet der Euro-Steuerzahler: künftig und rückwirkend. Schäubles Verzögerungstaktik ist wieder einmal nicht aufgegangen.
Schon wieder wurde Wolfgang Schäuble in Brüssel über den Tisch gezogen. Das Raushauen von Banken, die sich verspekuliert haben, soll nicht nur für die angeblich ferne Zukunft einer Haftungsgemeinschaft in einer Eurozone mit Bankenunion institutionalisiert werden, sondern plötzlich auch rückwirkend. Zuvor hatten der Bundesfinanzminister und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel die Haftung deutscher Steuerzahler für Fehlspekulationen irischer, griechischer, zyprischer, belgischer oder französischer Banken strikt abgelehnt. Schäuble hatte sogar darauf gepocht, dass so etwas ohne Änderung europäischer Verträge gar nicht möglich sei. Das galt bis gestern. Jetzt hat die Eurogruppe das Gegenteil beschlossen.
Pragmatiker mit einem Hang zum Zynismus mögen sagen, das Verbot der Haftung finanziell gesunder Länder für die Schulden anderer Staaten stehe in den EU-Verträgen sowieso nur auf Altpapier; die Rettungsroutine habe aus der Währungsunion längst eine Haftungs- und Transferunion gemacht. Das ändert aber nichts an der Rechtsbeugung, um es vornehm auszudrücken. Die fortgesetzte Rettungspolitik à la Tina (there is no alternative) ist zudem kein Grund für finnische, österreichische, italienische oder deutsche Steuerzahler, für Hauskredite zu haften, die Boni-Banker in Irland oder Spanien vergeben haben.
Dieses Einknicken von Merkel und Schäuble droht teurer zu werden als alle bisherigen „Euro-Rettungen“ zusammen. Denn die Schulden der Banken sind viel größer als die Schulden aller Eurostaaten. Alle Eurobanken zusammen haben mehr als 9 Billionen Euro Schulden. Etwa die Hälfte davon entfällt auf Einlagen, der Rest auf Bankschuldverschreibungen und andere Kredite. Schätzungen zufolge rollt - aber zufällig bestimmt erst nach der Bundestagswahl - auf das Euro-Bankensystem eine gigantische Abschreibungswelle in der Höhe von einer Billion zu.

Banken sollen Staaten weiter brav finanzieren

Wer soll das tragen? Der Deckel von 60 Milliarden Euro für die Rekapitalisierung von Wackelbanken durch den Rettungsfonds ESM, den die Eurogruppe nun beschlossen hat, wirkt im Vergleich dazu lächerlich. Schäubles Verzögerungstaktik ging mal wieder nicht auf. Wer glaubt dem CDU-Minister, dass er oder sein Nachfolger (vielleicht Jürgen Trittin von den Grünen) mittels Einzelfallentscheidungen die Haftung begrenzen kann? Wieso soll die Eurogruppe Bank A in Spanien retten, aber nicht Bank B in Irland?
Die Begleichung offener Rechnungen von Altfällen hat eigentlich mit dem Regelwerk für die künftige Bankenunion nicht viel zu tun. Doch auch hier droht Stückwerk. Es soll eine gemeinsame Verantwortung und Haftung für Banken geben ohne Anpassungen auf anderen Feldern, obwohl Fehlentwicklungen dort unmittelbar auf Bankbilanzen durchschlagen. Das nationale Insolvenzrecht könnte es etwa spanischen Immobilienkäufern künftig leichter machen, untragbare Hauskredite bei ihrer Bank abzuladen, wofür dann Euro-Europa haftet.
Außerdem wird an der Illusion festgehalten, Staatsanleihen seien sicher, weshalb Eurobanken weiterhin kein Eigenkapital für den Kauf dieser Papiere vorhalten müssen. Schließlich sollen Banken Staaten weiterhin brav finanzieren. Also saugen sich Banken auch in Zukunft mit nationalen Staatsanleihen voll und nehmen dafür den Euro-Steuerzahler in Haftung.

In der Praxis blutet der Steuerzahler von Anfang an

Erst im kommenden Jahr will die Europäische Zentralbank die Bücher von etwa 150 Großbanken prüfen, die sie künftig beaufsichtigen soll. Bis dahin soll auch geklärt sein, wie Banken im Fall der Fälle abgewickelt werden können. Da ohne Eingriff in die EU-Verträge eine neue EU-Behörde nicht möglich ist, dürfte die Organisation der Abwicklung zunächst an eine vorhandene Institution wie Kommission, ESM oder EZB angedockt werden.
Im Insolvenzfall ist die Haftungsreihenfolge entscheidend. Zuerst müssen Kapitalgeber, also Aktionäre und Gläubiger ran. Schulden müssen abgeschnitten und Fremd- in Eigenkapital gewandelt werden. Auch Sparer sind Gläubiger einer Bank. Das Vorgehen in Zypern gilt als Blaupause für die Bankenunion. Einlagen von mehr als 100.000 Euro sollen künftig im Notfall rasiert werden, so dass der Steuerzahler erst am Ende der Kette haftet. Das ist die Theorie.
In der Praxis der Eurokrise blutet der Steuerzahler von Anfang an. Wenn der Rettungsfonds ESM eine Bank rekapitalisiert, wird der Steuerzahler indirekt Teileigentümer dieser Bank. Außerdem ist der Steuerzahler indirekt über die EZB meist einer der größten Gläubiger der Wackelbank. So notwendig eine Gesundung des europäischen Bankensystems ist, so berechtigt sind Zweifel, ob die Zentralbank die richtige Institution für die Aufsicht ist. Wenn die EZB eine Bank beaufsichtigt und finanziert, die über zu wenig Kapital verfügt, dann können Finanzpolitiker auf den Gedanken kommen, der Zentralbank auch die Rechnung für die Abwicklung zu überlassen. Und wenn die EZB entscheiden muss, ob eine Bank abgewickelt werden muss oder gerettet werden kann, wird sie wohl für Rettung plädieren, weil sie sonst Verluste tragen müsste. Ob so die Zombiebanken in der Eurozone verschwinden?

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