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Dienstag, 25. Juni 2013

Griechenland ruft 1,5 Milliarden Euro nicht ab


Europas SchuldenkriseGriechenland ruft 1,5 Milliarden Euro nicht ab

 ·  Das Geld ist da, aber es gibt zu viele bürokratische Hindernisse, um es auch zu bekommen. Nach Ansicht der Beratungsgesellschaft PwC muss sich nicht nur das ändern, sondern auch die Tourismusbranche Griechenlands konsolidieren. Und eine Förderbank wäre gut.
© RÖTH, FRANKNorbert Winkeljohann (links) und Marios Psaltis von der Beratungsgesellschaft PwC
Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) erkennt Anzeichen der Stabilisierung in der griechischen Wirtschaft, verweist zugleich jedoch auf die immer noch bremsende Wirkung der Liquiditätskrise und bürokratischer Hürden: „Die Griechen haben nach einer Phase der Verdrängung und der Verärgerung die wahre Ursache der Krise nun erkannt und machen sich nun daran, die notwendigen Schritte zu tun“, sagte Marios Psaltis, der Vorstandssprecher von PwC Griechenland, im Gespräch mit der F.A.Z. Das Defizit des Staatshaushalts sei auf rund 6 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung reduziert.
Die Schulden seien zwar immer noch hoch, aber dank der Finanzierungshilfen und der dadurch geringeren Kreditzinsen werde Griechenland in diesem Jahr erstmals seit Krisenbeginn wieder einen kleinen Primärüberschuss erwirtschaften. Die Staatseinnahmen reichten also aus, um alle Staatsausgaben außer den Schuldzinsen zu decken, was für die kommenden Jahre fortgesetzt werden könne. Ein bremsender Faktor sei jedoch nach wie vor die mangelnde Kreditversorgung der griechischen Wirtschaft, sagt Norbert Winkeljohann, der PwC-Vorstandssprecher in Deutschland.

Mittel für Investitionen fehlen

Umso unverständlicher sei es, dass 1,5 Milliarden Euro an EU-Fördermitteln, die zusammen mit privaten Geldgebern Investitionen von rund 2,9 Milliarden Euro in Griechenland ermöglichen könnten, bisher nur zu einem winzigen Teil genutzt worden seien. Lediglich 130 Millionen Euro seien aus diesen Quellen bislang geflossen, sagt Winkeljohann und verweist auf den jüngsten Griechenland-Bericht der EU-Kommission. Ursache seien überwiegend bürokratische Hindernisse in Brüssel und Athen. Dabei kranke die wirtschaftliche Erholung ohnehin daran, dass den mittelständischen Unternehmen in Griechenland die Mittel zu Investitionen fehlten.
PwC schlägt deshalb die Einrichtung einer staatlichen Förderbank nach Vorbild der deutschen KfW-Bankengruppe vor. Dazu gebe es schon Vorarbeiten. Über eine Förderbank könnten Fördermittel besser und je eingesetztem Euro größere Investitionssummen erreicht werden, so Winkeljohann. Das könne zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass die Förderbank bei der Kreditvergabe an den Mittelstand die Risiken der ersten Verluste trage und so private Banken zur Kreditvergabe anrege. Die Beratungsgesellschaft hat schon einige Ideen entwickelt, auf welche Weise die griechische Wirtschaft mit den Fördermitteln vorangebracht werden könnte.
So sei ein Programm sinnvoll, das den Tourismus auf ganzjährige Angebote umstelle. Bislang konzentriere sich Griechenland zu sehr auf die Sommersaison. Langfristig könnten zudem die Nutzung von Solarenergie und anderen alternativen Energieträgern sowie der Ausbau von Gesundheitsdienstleistungen für ausländische Nachfrager für Wachstumsimpulse sorgen, glaubt Psaltis. Allerdings sind einige wichtige Voraussetzungen, die private ausländische Geldgeber anlocken könnten, immer noch nicht erfüllt. Dazu zählen ein stabiles, verlässliches und effektiveres Steuersystem sowie der Abbau von bürokratischen Hürden, die ausländische Investoren bislang abschrecken.
Nach Psaltis’ Einschätzung ist die Steuerreform nach den Vorgaben des IMF und der EU auf einem guten Weg. Es wird erwartet, dass die neuen Steuergesetze in den kommenden sechs Monaten verabschiedet werden. Ziele sind eine deutliche Vereinfachung der Steuergesetze, schlankere Prozesse und eine wirkungsvolle Steuereinnahmestelle. Verbesserungsbedarf gebe es auch bei der staatlichen Informationstechnik. „Die tägliche Nutzung eines Computers ist noch immer nicht in allen griechischen Verwaltungsstellen normal“, räumt Psaltis ein. PwC macht zudem Vorschläge, das griechische Steuersystem effizienter zu machen, zum Beispiel durch eine effektivere Steuereintreibung und eine System, um die Einhaltung der Steuergesetze besser kontrollieren zu können.
Ungeklärt sei die Frage einer Steueramnestie. Es sei erwägenswert, bei zurückliegenden Steuerhinterziehungen von einer Strafe abzusehen, wenn die ausstehenden Forderungen des Staates beglichen werden. Dies könnte dazu führen, dass zuvor ins Ausland transferiertes griechisches Kapital ins Land zurückkehre, glaubt Psaltis. Dies sei jedoch in Griechenland umstritten. Wichtig sei es vor allem, ausländische Investoren anzulocken, die das Land derzeit lediglich beobachten. Die wichtigste Branche dafür sei der Tourismus, glaubt Psaltis. Die griechische Hotelbranche, die derzeit aufgesplittert sei, könne konsolidiert und weiter ausgebaut werden.
Deshalb sei es sinnvoll, wenn ausländische Investoren - unterstützt von den griechischen Banken - die Konsolidierung vorantrieben und auf Wachstum setzten. Ausgangspunkt der Restrukturierung seien die inländischen Banken, weil diese im Laufe der Kreditkrise zu den eigentlichen Eigentümern vieler Hotels geworden sind. Sie sollten für eine Neuausrichtung sorgen, die Griechenlands Tourismus attraktiv für ausländische Investoren machte. Interesse gebe es von amerikanischen Investitionsgesellschaften durchaus, berichtet Psaltis.

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