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Donnerstag, 4. April 2013

Dieser tatsächliche Geldstrom sorgt dann für eine Erhöhung der Staatsschulden. In der byzantinischen Verwaltung Italiens liegen Zahlungsermächtigungen und tatsächliche Zahlungsströme aus der Kasse indes besonders weit auseinander. // Italien schuldet seinen Lieferanten mehr als 90 Milliarden Euro - in den Staatsschulden ist dieser Betrag bisher nicht enthalten


ItalienSchattenhaushalt über 90 Milliarden Euro

 ·  Italien schuldet seinen Lieferanten mehr als 90 Milliarden Euro - in den Staatsschulden ist dieser Betrag bisher nicht enthalten. Der scheidende Regierungschef Monti will nun einen Großteil davon außerordentlich begleichen.
In Italien rückt immer mehr das Finanzloch unbezahlter Rechnungen der öffentlichen Hand in den Mittelpunkt. Nach Angaben der italienischen Notenbank schulden die öffentlichen Institutionen ihren Lieferanten mindestens 91 Milliarden Euro – ein Betrag, der etwa 6 Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts ausmacht. In den offiziellen Staatsschulden von rund 2000 Milliarden Euro oder 127 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist er bisher nicht enthalten.
Während die italienischen Steuerbehörden und die Sozialversicherung darauf bestehen, dass Unternehmen pünktlich Abgaben zahlen und die Kontrollen verschärfen, begleichen italienische Institutionen vor allem im Süden ihre Rechnungen oft erst nach Jahren. In der Vergangenheit konnten die Unternehmen diese Finanzlücke mit Hilfe von Bankkrediten schließen. Doch weil die Banken ihr Geld knapp halten, zudem auch wegen der tiefen Rezession in Italien, kommen nun immer mehr Unternehmen in Bedrängnis.

Monti will viele Rechnungen nun schnell bezahlen

Nun will die Regierung von Ministerpräsident Mario Monti, die nach dem offiziellen Ende ihrer Amtszeit nur geschäftsführend amtiert, die Lieferantenschulden Italiens durch außerordentlichen Zahlungen in diesem und dem kommenden Jahr um jeweils 20 Milliarden Euro verringern. Offiziell wird dazu mitgeteilt, die Zahlung von alten Lieferantenrechnungen im Rahmen der laufenden Ausgaben habe keinerlei Auswirkungen auf das offizielle Haushaltsdefizit, weil die Ausgabenermächtigungen ohnehin schon in die Defizitwerten der Vergangenheit eingerechnet seien. Wenn das Geld dann tatsächlich fließe, beeinflusse dies nach den europäischen Prinzipien der Haushaltsstatistik nur die Werte für die Staatsschulden.
Anders sei es mit der Verrechnung von Investitionsausgaben, denn diese haben erst Wirkung auf Defizit und Staatsschulden, wenn tatsächlich bezahlt wird. Daher haben Italiens Regierung und Parlament die Zielgröße für Italiens Haushaltsdefizit wegen der Bezahlung der Rechnungen für Investitionsprojekte um 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukt auf 2,9 Prozent erhöht.

Italien: Kein Datenschwindel

Italienische Institutionen bestehen auf der Darstellung, dass hinter dem großen Finanzloch kein Datenschwindel wie in Griechenland stecke, sondern, dass die aufgelaufenen Verbindlichkeiten größtenteils als Defizit gezählt worden seien. Fraglich bleibt allerdings, warum sie dann noch nicht beglichen wurden.
Theoretisch funktioniert das System für die laufenden Staatsausgaben so, dass im Haushaltsplan Zahlungsermächtigungen beschlossen werden, die dann das offizielle und statistische Haushaltsdefizit bestimmen. Entsprechend der Zahlungsermächtigungen fließt dann Geld aus der Staatskasse. Dieser tatsächliche Geldstrom sorgt dann für eine Erhöhung der Staatsschulden. In der byzantinischen Verwaltung Italiens liegen Zahlungsermächtigungen und tatsächliche Zahlungsströme aus der Kasse indes besonders weit auseinander.

Italienische Ökonomen zweifeln

Namhafte italienische Ökonomen meinen jedoch, dass der aufgelaufene Berg von Lieferantenschulden vielfach auch falsche Defizitzahlen in der Vergangenheit verdecken könne. Es sei etwa vorgekommen, dass der Schatzminister die Ausgaben linear gekürzt habe, etwa im staatlichen Gesundheitswesen oder auch für das Benzin der Polizeiautos. Wenn dann trotzdem mehr Geld als vorgesehen ausgegeben werde, lägen die Rechnungen versteckt in den Schubladen.
Zudem gebe es das Beispiel der Kommunen, die ihre Steuereinnahmen falsch einschätzten und dann zu viel ausgegeben hätten. Manche Kommune umgehe ein Schuldenverbot, indem sie „Kredit“ bei den Lieferanten einplane. Schließlich kam es in der Vergangenheit vor, dass Schatzminister während der Haushaltsplanung die Ermächtigungen für nicht ausgegebene Gelder wieder „eingesammelt“ haben, doch womöglich waren diese Mittel doch verplant.

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