BerlinDie zwei Verhandlungstage vor dem Bundesverfassungsgericht sind vorüber, zwei Tage stand in Karlsruhe die Euro-Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) auf dem Prüfstand. Ob die Richter allumfassend ergründen konnten, inwiefern das EZB-Programm für einen unbegrenzten Anleiheaufkauf gegen Grundgesetz und EU-Vertrag verstößt? Mit der Anhörung der verschiedenen Sachverständigen deutete sich schnell an, wohin die Reise gehen würde. Die Auswahl sorgte jedenfalls für Kritik.
So drückte sich Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn gewohnt drastisch aus und äußerte die Einschätzung, dass sich das potenzielle Volumen für Anleihekäufe auf dreieinhalb Billionen Euro belaufen könne. Der Wirtschaftsprofessor rechnet dabei aber sämtliche Anleihen von Krisenländern einschließlich Frankreichs dazu, obwohl die EZB nur Staatspapiere mit bis zu drei Jahren Laufzeit kaufen würde. Sinns Ausführungen waren aber schon in der Welt undhinterließen wohl auch einen nachhaltigen Eindruck bei den Richtern. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle brachte jedenfalls die Möglichkeit ins Spiel, den Auftrag der EZB weiter zu regeln als bisher im EU-Vertrag.
Die umstrittenen Staatsanleihen-Kaufprogramme der EZB
10. Mai 2010
Als die Schuldenkrise zum ersten Mal in Griechenland eskaliert, beschließt der EZB-Rat den Kauf von Staatsanleihen überschuldeter Euro-Länder. Damit wirft die EZB erstmals in ihrer Geschichte de facto die Notenpresse an, um Krisenländern zu helfen und das politische Projekt der Gemeinschaftswährung nicht zu gefährden. In der Folge kauft sie für mehr als 200 Milliarden Euro Papiere von Griechenland, Irland und Portugal.8. August 2011
2. August 2012
6. September 2012
12. September 2012
Derlei Gedankenspiele machten nicht nur den anwesenden EZB-Direktor Jörg Asmussen stutzig. Auch außerhalb des Gerichts blickt man mit Kopfschütteln nach Karlsruhe. Woran sich der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, vor allem stößt, ist der Umstand, dass das Gericht fast ausschließlich Sachverständige geladen hatte, die die Krisenpolitik der EZB ablehnen.
Dass in einem Gerichtsverfahren auch die andere Seite gehört werde, unterstreiche normalerweise das Bild von Richtern als abwägenden Menschen. „Umso erstaunlicher und ärgerlicher ist, dass die Richter am Bundesverfassungsgericht in ihrer Anhörung zur Legitimität der EZB-Politik in der gegenwärtigen Krise fast ausschließlich Sachverständige aus der Wissenschaft geladen haben, die der EZB Politik sehr kritisch gegenüberstehen“, sagte Horn Handelsblatt Online.
So sei es nicht überraschend, dass Ökonomen wie Sinn und der „neoliberale Chicago-Boy“ Harald Uhlig, die sich in der Vergangenheit „teilweise extrem ablehnend“ zu den Anleihekäufen der EZB öffentlich geäußert hatten, die Richter von dieser Sichtweise zu überzeugen versuchten. „Warum aber hört man nicht die zahlreichen in- und ausländischen Ökonomen, die es für selbstverständlich halten, dass eine Zentralbank wie die amerikanische Fed die Rolle des Gläubigers der letzten Zuflucht einnimmt“, fragte Horn. Nur so sei eine Währung jedoch letztlich zu verteidigen. „Aber genau das wollen vielleicht weder die Sachverständigen noch die Richter“, kritisierte der IMK-Chef.
- Seite 1: Zweifel an Neutralität der Karlsruher Richter
- Seite 2: Internationales Ökonomen-Team stützt EZB-Politik
Zurück
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen