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Sonntag, 14. April 2013

Fünf der 17 Euro-Staaten brauchen bereits internationale Finanzhilfe. Zypern kam als jüngster Fall hinzu. Sorgen bereitet Italien. Slowenien ist nach Einschätzung von Ökonomen wohl der nächste Krisenfall. // wer von uns hält denn Einlagen bei slowenischen Banken ? // Die Wahrscheinlichkeit sei daher groß, dass, wenn es einen Schuldenschnitt geben sollte, die Kundengelder - sie belaufen sich auf etwa 73 Prozent der Bank-Verbindlichkeiten oder 36,7 Milliarden Euro - nicht verschont blieben.


ÖKONOMEN-WARNUNGSlowenien könnte nächster Krisenfall werden

exklusiv Fünf der 17 Euro-Staaten brauchen bereits internationale Finanzhilfe. Zypern kam als jüngster Fall hinzu. Sorgen bereitet Italien. Slowenien ist nach Einschätzung von Ökonomen wohl der nächste Krisenfall.
An der 40 Kilometer langen Adriaküste Sloweniens liegt das autofreie Städtchen Piran. Quelle: gms
An der 40 Kilometer langen Adriaküste Sloweniens liegt das autofreie Städtchen Piran.Quelle: gms
BerlinNach Einschätzung von Ökonomen in Deutschland könnte Slowenien nach Zypern schon bald ein nächster Kandidat für den Euro-Rettungsschirm ESM werden. „Der Krisenfall lässt sich kaum noch abwenden, zumal der enorme Finanzbedarf des Staates für eine Bankenrekapitalisierung den Vorteil eines an sich bewältigbaren Refinanzierungsbedarfs zunichte macht (...) und die Ratings stetig nach unten weisen“, sagte Ansgar Belke, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen, Handelsblatt Online.
Belke stellte Slowenien in einen Zusammenhang mit den Problemen anderer Krisenländer. Ähnlich wie Italien vereine auch Slowenien einen dramatischen Anstieg der staatlichen Schuldenlast mit einer handlungsunfähigen Regierung. Hinzu kämen eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit wie in fast allen südlichen Ländern der Euro-Zone und eine sehr hohe Verschuldung der Unternehmen wie in Portugal. Das Land habe überdies mit den Folgewirkungen einer geplatzten Immobilienblase und rekapitalisierungsbedürftigen Banken ähnlich wie Irland und vor allem Spanien zu kämpfen. „Es ist somit zu befürchten, dass Slowenien aufgrund dieses unglücklichen Mixes das Schicksal der Peripherieländer teilen wird und noch 2013 unter den Schirm flüchten muss“, so Belke.

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Zumal sich, wie Belke weiter sagte, wichtige Nachbarländer und Handelspartner wie Italien in einer strukturellen Rezession befänden. Das Hauptproblem Sloweniens sei daher „der Teufelskreis von finanzieller Anspannung, einem Mangel an fiskalpolitischer Konsolidierung und dessen Beseitigung und geschwächten Unternehmensbilanzen, der die Rezession in Slowenien deutlich verstärkt und auch wohl verlängert“. Dieser Teufelskreis könne wohl nur durch eine Rekapitalisierung einiger Problembanken durchbrochen werden.

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Eine schlechte Prognose für Slowenien stellt auch Thorsten Polleit, Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management. „Die Lage ist sehr problematisch“, sagte Polleit Handelsblatt Online. Der Bankensektor des Landes verfüge nur über eine „dünne Eigenkapitaldecke“ in Höhe von 4 Milliarden Euro, bei einer Bilanzsumme von 50,6 Milliarden Euro. „Die jetzt geschätzten Verluste in Höhe von 7 Milliarden Euro bedeuten eine Überschuldung der Banken“, begründete Polleit seinen Pessimismus und fügte hinzu: „Ein Schuldenschnitt scheint unausweichlich.“

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Polleit macht für die Situation auch die Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) verantwortlich. „Das jahrelange Ausweiten der Geldmenge durch Bankkredite, bereitgestellt von der EZB zu immer tieferen Zinsen, zeigt sich nun von seiner schlimmsten Seite“, sagte der Ökonom. „Die Krise ist noch nicht überwunden, sie wird vermutlich noch schlimmer, bevor eine Besserung eintritt.“
Der Wormser Wirtschaftsprofessor Max Otte führt die Probleme Sloweniens darauf zurück, dass die Beitrittseuphorie wie in allen Beitrittsländern zu einem Investitionsboom geführt habe. "In solchen Krisen wird automatisch Kapital aus Peripherieländern abgezogen, worunter Slowenien jetzt leidet", sagte Otte Handelsblatt Online.  Eigentlich habe das Land aber eine gut ausgebildete Bevölkerung, so dass die Basis für ein erfolgreiches Restrukturierungsprogramm da sei.
Doch wenn Slowenien EU-Hilfe beantrage und ein Sanierungsprogramm auflege, "dürfte der Spuk bald vorbei sein", fügte der Ökonom hinzu. Hierbei seien dann eine Bad Bank und Vermögensschnitte bei den Gläubigern "unvermeidlich und notwendig".
Die neue slowenische Regierungschefin Alenka Bratusek schätzt die Lage hingegen nicht so düster ein. "Slowenien ist in der Lage, es ganz allein zu schaffen", sagte Bratusek am Mittwoch während einer Fragestunde im Parlament. "Höchste Priorität" habe für ihre Regierung die Umstrukturierung des Bankensektors. Finanzminister Uros Cufer arbeite "Tag und Nacht" daran, sagte Bratusek.
Slowenien, das einst den Ruf eines europäischen Musterschülers hatte, war 2012 in die Rezession gerutscht. Auch in diesem Jahr wird ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung erwartet. Die Banken des Landes leiden vor allem unter zahlreichen faulen Krediten.
Nach Schätzungen von Wirtschaftsforscher Polleit belaufen sich die ausstehenden Schuldverschreibungen der slowenischen Banken derzeit auf 2,3 Milliarden Euro, externe Verbindlichkeiten auf 2,1 Milliarden Euro, zusammen also 4,4 Milliarden Euro. „Wenn diese Verbindlichkeiten gestrichen werden - und das träfe vermutlich vor allem institutionelle Investoren -, bliebe immer noch eine erhebliche Lücke, die zu schließen wäre“, gab Polleit zu bedenken. Die Wahrscheinlichkeit sei daher groß, dass, wenn es einen Schuldenschnitt geben sollte, die Kundengelder - sie belaufen sich auf etwa 73 Prozent der Bank-Verbindlichkeiten oder 36,7 Milliarden Euro - nicht verschont blieben.

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Allerdings, fügte Polleit hinzu, hielten andere Finanzinstitute Einlagen in Höhe von 13,2 Milliarden Euro bei slowenischen Banken, die ebenfalls für einen Schuldenschnitt in Frage kommen könnten. „Ob das aber die wachsenden und berechtigten Sorgen der Sparer vor Enteignung mildern kann, ist ungewiss.“
Zumal man sich, darauf weist der Ökonom Belke hin, von der moderaten Entwicklung der Leistungsbilanz nicht blenden lassen sollte, denn sie resultiere im Wesentlichen aus dem negativen BIP-Wachstum Sloweniens. Zudem exportierten einige Unternehmen nur, um den Einbrüchen auf dem Binnenmarkt zu entgehen und trotz Verlusten im Markt zu bleiben.

Reform der Euro-Zone

Trotz der ungünstigen Voraussetzungen für eine Besserung der Lage sieht die Mitte-Links-Regierung in dem angeschlagenen Land, die seit dem 20. März im Amt ist, Möglichkeiten für Gegenmaßnahmen. So sollen mehrere von der Vorgängerregierung eingeleitete Reformprojekte weiter verfolgt werden. Dazu gehört die Gründung einer Bad Bank, in die faule Kredite ausgelagert werden können. Bratusek, die erste Frau an der Spitze Sloweniens, kündigte auch Maßnahmen an, um die Wirtschaft zu stärken und Arbeitsplätze zu schaffen.

Der Wirtschaftsforscher Belke ist skeptisch. „Nach einer glaubwürdigen Selbstverpflichtung der slowenischen Regierung zur Sanierung der in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Banken sieht es derzeit leider ganz und gar nicht aus“, sagte er – trotz der vielfachen Bemühungen. „Hält dies an, sehe ich wegen ganz klar innenpolitisch motivierten Regierungsversagens bei der Finanzmarktregulierung und Arbeitsmarktreformen fast nur noch die Möglichkeit, so schnell wie möglich eine Rekapitalisierung der Banken einzuleiten, damit Unternehmen wieder Kredite erhalten“, sagte Belke. Letztere seien nämlich „fast vollständig“ versiegt.
Doch bevor ESM-Bankenhilfen in Betracht gezogen werden, sollten aus Belkes Sicht in Analogie zur Zypern-Lösung die Abwicklung maroder Banken sowie eine Privatisierung der Staatsbanken angegangen werden, ohne dabei die Steuerzahler zu belasten. Auch beim Schuldenüberhang der slowenischen Unternehmen sieht Belke in diesem Zusammenhang unmittelbar Handlungsbedarf.

Die Bankenaufsicht

Abgefedert werden müssten die Maßnahmen mit einem „glaubwürdigen“ Festhalten an und einem Ausbau der bereits eingeleiteten Reformen des Arbeitsmarktes durch Dezentralisierung der Tarifverhandlungen und Lockerungen des Kündigungsschutzes, um arbeitslosen "Outsidern" wieder eine Chance zu geben. Für eine Rentenreform gebe es zudem ähnlichen Bedarf wie von Mario Monti für Italien bereits erkannt und beseitigt. Auch hier habe Slowenien bereits mit der Umsetzung begonnen, es müsse nun „glaubwürdig“ damit weitermachen. Überdies rät Belke, die Bauinvestitionsquote zu drosseln, damit der Abbau des Immobilienüberangebots viel schneller als gegenwärtig in Spanien erfolgen könne.

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Belke plädierte überdies für einen Schuldenabbau nach deutschem Vorbild. „Eine Schuldenbremse und deren strikte Einhaltung über Ausgabenkürzungen und nicht durch Steuererhöhungen ist unzweideutig elementar, um die finanziell stark angeschlagenen Unternehmen nicht weiter zu schwächen und Erwartungen von niedrigeren zukünftigen Steuern und Zinsen zu schaffen und den Schuldenanstieg zu bremsen“, sagte er. Hauptziel solle dabei die Senkung des strukturellen Budgetdefizits Sloweniens sein.

EURO IN DER KRISE
Aber nicht nur, wie Belke betonte, um die Bedingungen des Troika-Programms zu erfüllen, sondern um die Refinanzierung Sloweniens über den Kapitalmarkt so bald wie möglich wieder herzustellen und vor allem den Ausblick der Ratings wieder zu verbessern. „Vor allem aber sind die vielen faulen Kredite großer Banken wie Nova Ljubljanska Banka ein Fanal“, sagte der Ökonom Belke und riet dazu, die Finanzmarktaufsicht „entscheidend“ zu verbessern.

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