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Freitag, 12. April 2013

In Deutschland jubelte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück: „Die Kavallerie in Yuma muss nicht unbedingt ausreiten. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt“ - und bestätigte im Nebeneffekt in Schweizer Augen das Klischee des überheblichen Deutschen.


SchweizNicht mehr das, was sie mal war

 ·  In der Schweiz hat sich bei der Vermögensversteuerung viel getan: Das Ausland kommt nun leichter an Daten von Bankkunden, und die Banken selbst greifen härter durch.
© REUTERSInsel inmitten verschlossener Schränke: In der Zücher Kantonalbank
Die Schweizer sind derzeit in einer ungewohnten Lage: Beim Thema Steueroasen spielen sie erstmals seit langem nur eine Nebenrolle. In der Datenflut der „Offshore-Leaks“ tauchen 70 Gesellschaften aus der Schweiz sowie 300 Personen auf - ein Klacks verglichen mit den bisher genannten 122.000 Trusts und anderen Vermögensvehikeln, auch wenn mit dem verstorbenen Industrie-Erben Gunter Sachs sowie Carmen Thyssen-Bornemisza, der Witwe des Thyssen-Sprosses Hans-Heinrich, zwei prominente Geldanleger auf der Liste der Eidgenossenschaft erscheinen. Daneben könnte die Verstrickung von Schweizer Banken und Treuhändern in die Finanzkonstruktionen an exotischen Plätzen noch manchen Zündstoff bieten. Aber vorerst sagt Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf erleichtert: „Ich bin froh, dass für einmal auch über andere Finanzplätze diskutiert wird.“ Die Schweiz habe nämlich in den vergangenen Jahren viel gegen Steuerhinterzieher und Betrüger unternommen.
Die Eidgenossenschaft hat einen weiten Weg hinter sich. Im März 2008 hatte der damalige Finanzminister Hans-Rudolf Merz an die Adresse des Auslands gesagt, am Schweizer Bankgeheimnis „werdet ihr euch noch die Zähne ausbeißen“. Ein Jahr später knickte Merz ein und hob die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug auf. Die Schweiz erklärte sich nun auch beim Verdacht auf reine Steuerverkürzung ohne größere Betrugsmanöver bereit, dem Ausland auf begründete Anfrage Bankunterlagen zu liefern. Angesichts der hohen Verschuldung in vielen Industrieländern hatte die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris mächtig Druck gemacht. In Deutschland jubelte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück: „Die Kavallerie in Yuma muss nicht unbedingt ausreiten. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt“ - und bestätigte im Nebeneffekt in Schweizer Augen das Klischee des überheblichen Deutschen.
Den größten Druck bauten allerdings die Vereinigten Staaten auf. Ihre Strafverfolger enttarnten schon 2007 das Netzwerk, das Manager der Großbank UBS für Steuerflüchtlinge aus ihrem Land errichtet hatten. Am Ende standen 2009 eine Strafzahlung über 780 Millionen Dollar und die Weitergabe von knapp 5000 Kundendaten, abgesichert durch einen Staatsvertrag zwischen beiden Ländern. Im Zuge der weiteren Nachforschungen geriet gut ein Dutzend Schweizer Geldhäuser auf die Verdachtsliste der Amerikaner. Das Ende ist offen, aber der Untergang der Privatbank Wegelin Anfang 2012 stellt eine unmissverständliche Warnung dar.

Amerika sucht seine Steuersünder

Mit den Amerikanern haben die Schweizer im Februar ein sogenanntes Fatca-Abkommen abgeschlossen. „Fatca“ kennzeichnet das wenig zimperliche Bestreben der Vereinigten Staaten, aller „US persons“ rund um die Welt steuerlich habhaft zu werden. Darunter befinden sich viele Leute mit doppelter Staatsangehörigkeit und solche, die in der Schweiz arbeiten oder gearbeitet haben. Solche Abkommen will die Regierung in Washington mit allen wichtigen Ländern abschließen. Es verpflichtet zur Lieferung von Namen und Kundendaten; mit der Schweiz, die einige Sonderregeln aushandeln konnte, soll es Anfang kommenden Jahres in Kraft treten. Darüber hinaus hat sich Bern in einem neuen Doppelbesteuerungsabkommen zur Datenlieferung aufgrund von „Gruppenanfragen“ bereit erklärt. Hier müssen in der Anfrage keine Namen genannt, sondern nur gewisse Verhaltensmuster wie zum Beispiel komplizierte Finanzpyramiden beschrieben werden, wobei die ominösen Trusts in der Schweiz - zumindest bisher - nicht erlaubt sind. Das Abkommen ist allerdings noch nicht in Kraft. Außerdem wird die Schweiz die in der OECD vereinbarte Regel anwenden, wonach „schwere Steuerhinterziehung“ als Vortat zur Geldwäsche eingestuft und entsprechend verfolgt wird. Auch hier fehlt noch der letzte Schliff, insbesondere in der Definition, was als „schwere Steuerhinterziehung“ gilt. Darüber wird es im Parlament noch heftige Debatten geben.
Insgesamt bekennt sich die Schweiz inzwischen zu einer „Weißgeldstrategie“. Entsprechende Vorschläge zur Prüfung von Bankkunden hat die Regierung im Februar vorgelegt. In Europa versuchte sie, die Reste des seit 1935 gesetzlich verankerten „Bankkundengeheimnisses“ über eine Abgeltungssteuer für die Vergangenheit und eine Besteuerung nach den jeweiligen nationalen Sätzen für die Zukunft zu retten; nur die Namen der Bankkunden würden wie bisher nicht genannt. Gelungen ist dies mit Großbritannien und Österreich. In Deutschland scheiterte der Vertrag an SPD und Grünen im Bundesrat. Jetzt nehmen die Schweizer Banken zunehmend das Heft selbst in die Hand. Sie zwingen ihre zahlreichen deutschen Kunden, die Versteuerung ihres Vermögens in der Schweiz zu belegen oder das Konto aufzulösen. Der Vorwurf des „Verrats“ an diesen Kunden lässt die Banken weitgehend kalt. Sie verweisen darauf, dass in Deutschland - anders als zum Beispiel in Frankreich - die Möglichkeit der Selbstanzeige besteht, mit der Steuerhinterzieher eine Strafanzeige vermeiden können. Unabhängig davon dürfte erhebliches Vermögen an andere Plätze verlagert worden sein; genannt werden Singapur, Hongkong und Steueroasen, über die Großbritannien und die Vereinigten Staaten - also genau jene Länder, die im Kampf der Finanzplätze die Schweiz besonders heftig attackieren - ihre schützende Hand halten.
Fatca und das „Offshore-Leck“ setzen in der EU die beiden „Exoten“ Luxemburg und Österreich unter Druck. Sie haben sich dem automatischen Informationsaustausch bisher widersetzt. Ihr Einlenken dürfte sich auch auf die Schweiz auswirken, die mit dem Zinsbesteuerungsabkommen auf einer Linie mit Luxemburg und Österreich liegt. In der Eidgenossenschaft sind Sozialdemokraten und Grüne sowieso für den EU-Standard. Aber auch Finanzministerin Widmer-Schlumpf, die sich wahltaktisch nach links absichert, brachte den automatischen Informationsaustausch schon ins Spiel. Ihre Partei, die bürgerliche BDP, will ihn erklärtermaßen zumindest für die Zukunft gelten lassen. Kommt es so weit, stünde selbst für die Geldanleger innerhalb der Schweiz das Bankkundengeheimnis auf dem Spiel. Ein überparteiliches Komitee setzt auf Gegenwehr: Es will durch eine Volksabstimmung dem Gesetzesparagraphen Verfassungsrang verleihen.

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