Minenprojekt stellt griechische Zukunftsfähigkeit auf die Probe
In der nordgriechischen Gegend Aristoteli an der idyllischen Ostküste der Halbinsel Chalkidiki gibt es einen Berg aus Gold. Diesen Schatz industriell zu heben plant der kanadische Minenkonzern... Von Jonathan Stearns
In der nordgriechischen Gegend Aristoteli an der idyllischen Ostküste der Halbinsel Chalkidiki gibt es einen Berg aus Gold. Diesen Schatz industriell zu heben plant der kanadische Minenkonzern Eldorado Gold Corp., und er wird dabei von der chronisch klammen Regierung in Athen und vielen Lokalpolitikern unterstützt.
Ebenso stark wie die Zustimmung ist allerdings um der touristisch attraktiven Provinz, in der auch der Geburtsort des Altphilosophen Aristoteles liegt, die Ablehnung des Großprojekts im Volumen von 350 Mio. Euro. Sämtliche Arbeitsplätze im Tourismus sind den Gegnern zufolge bedroht in dieser strukturschwachen Region rund zwei Autostunden südöstlich der Metropole Thessaloniki.
Den Bürgermeister Christos Pachtas hat der Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern der Goldmine bereits aus der Stadt fliehen lassen - er ist seitdem in seinem Heimatdorf in den Bergen anzutreffen. In einigen Dörfern der Gegend wechseln Einwohner mit unterschiedlicher Haltung zum Projekt kein Wort mehr miteinander. Oben auf dem Berg sind die ersten Baumaschinen für das Projekt durch meterhohen Stacheldraht gesichert. Unerbittlich stehen die beiden Haltungen gegeneinander.
Für die am Boden liegende griechische Wirtschaft geht es bei der Goldmine um bedeutend mehr als nur einen regionalen Streit um ein ökologisch bedenkliches, aber lukratives Großprojekt. Diesen Konflikt zu moderieren und gegenseitige Interessen um das größte Metallförderprojekt aller Zeiten im Lande zu kanalisieren wäre ein starker Beweis für die Zukunftsfähigkeit des Landes. Griechenland befindet sich im sechsten Jahr einer schweren Rezession, hat ein paar Rettungspakete und die größte Umschuldung der Geschichte hinter sich.
"Ich halte den Konflikt für sehr entscheidend, geht es doch darum, ob Griechenland in der Lage ist, künftig ausländische Investitionen anzuziehen", sagte Wirtschaftsexperte und Buchautor George Tzogopoulos von der Stiftung Hellenic Foundation for European and Foreign Policy in Athen. Es handele sich um eines jener Projekte, die beitragen könnten, um das Land aus der wirtschaftlichen Krise zu führen. Eldorado aus dem kanadischen Vancouver will insgesamt mehr als eine Mrd. Dollar in Griechenland investieren.
Seit 2008 ist das griechische Bruttoinlandsprodukt um ein Fünftel geschrumpft und die Arbeitslosenquote hat mit 27 Prozent Rekordniveau erreicht. Bürgermeister Pachtas beziffert die Arbeitslosenquote in seiner Gemeinde Aristoteli mit 20.000 Einwohnern sogar auf 35 Prozent.
"Die Arbeitslosigkeit wird verschwinden", sagte der 62 Jahre alte Lokalpolitiker in seinem provisorischen Amtssitz im Bergdorf Arnea über das Eldorado-Projekt. Die Gesellschaft benötige aber noch zwei bis drei Jahre, um überzeugt zu werden. Der Verwaltungssitz im 44 Kilometer entfernten Ierissos war vor einem Jahr durch Gegner der Goldmine gewaltsam von der Stromversorgung getrennt worden, sein Auto in Brand gesetzt worden. Pachtas gibt im Gespräch offen zu, dass er Angst hat.
"Würden wir dem Staat mehr vertrauen, dann gäbe es keinen Konflikt über diese Goldmine", sagt Petros Roupis aus dem Bergdorf Megali Panagia hinter der Theke des Kiosks seiner Schwester, wo er kleine Speisen und Zigaretten verkauft. Jetzt traue hier niemand mehr dem Nachbarn über den Weg. Die Mine ist formell genehmigt, aber Projektgegner haben den Bescheid angefochten. Die endgültige Gerichtsentscheidung darüber steht noch aus.
Eldorado will am Berg namens Skouries in einem Zeitraum von 27 Jahren Gold fördern. Der Name, er entspricht dem griechischen Wort für Rost, deutet auf die Präsenz von Bergbau bereits im Altertum hin. Bis zu 770 Meter tief soll hier im Tagebau ein Konzentrat von Kupfer und Gold gefördert und industriell verarbeitet werden, das ins Ausland exportiert werden soll. 3,6 Millionen Unzen Gold sind laut Eldorado am Standort förderbar.
"Die Risiken sind einfach zu hoch", sagt die 45-jährige Maria Kadoglou, eine arbeitslose Ärztin im Gespräch in einem Café in Ierissos. Der griechische Staat habe bewiesen, dass er seinen Auftrag nicht erfülle, sagt sie. Unternehmen würden auf Kosten der Gemeinden und der Umwelt bevorzugt.
"Wir wollen Investitionen und Kapital ins Land bringen und neue Arbeitsplätze schaffen", sagt Staatssekretär Assimakis Papageorgiou vom Energie- und Umweltministerium in Athen. Beim kanadischen Projekt Skouries müssten sämtliche Umweltvorgaben der Europäischen Union befolgt werden. "In einigen Fällen" sagte der Staatssekretär, "gehen wir auch darüber hinaus". Weder Aristotelis noch Griechenland als Ganzes müsse sich zwischen Rohstoffabbau und Tourismus entscheiden, sagte er. Tourismus trägt 17 Prozent zur griechischen Wirtschaftsleistung bei und der Rohstoffsektor derzeit vier Prozent.
Gemeinsam mit zwei weiteren Standorten wäre die Investition des kanadischen Konzerns die größte überhaupt im griechischen Rohstoffsektor, wie das Ministerium mitteilte. "Es geht um große Summen", sagte Eldorado-Vizepräsident und Griechenland- Chef Eduardo Moura in einem Gespräch in Athen. Für die Projekte in Griechenland habe das Unternehmen bereits 8500 Stellenbewerbungen erhalten.
To contact the editors responsible for this story: James Hertling at jhertling@bloomberg.net
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