Steueroasen
EU-Kommission plant, das Bankgeheimnis zu kippen
Brüssel holt zum Angriff auf Steuerbetrüger aus. Der Austausch von Steuerdaten soll nach Plänen der EU-Kommission bald auf alle Kapitaleinkünfte ausgeweitet werden, das Bankgeheimnis würde fallen.Von Silke Mülherr
Die EU-Kommission macht ernst im Kampf gegen Steuerbetrug. Am Mittwoch wird EU-Steuerkommissar Algirdas Šemeta in Brüssel eine neue Richtlinie präsentieren, die der "Welt" vorab vorliegt. Darin schlägt die Brüsseler Behörde vor, den automatischen Austausch von Steuerinformationen auf alle Kapitaleinkünfte auszuweiten.
Bisher umfasst ein entsprechendes Abkommen lediglich Zinserträge. Damit würde das Bankgeheimnis in Europa für EU-Ausländer fallen, das italienische Konto eines Deutschen beispielsweise dem heimischen Finanzamt nicht mehr verborgen bleiben.
Schätzungen der EU-Kommission zufolge gehen den EU-Ländern pro Jahr rund eine Billion Euro verloren, weil Bürger dem Fiskus ihre Steuern vorenthalten. "In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie diesen sollten den ehrlichen Steuerzahlern keine Steuererhöhungen zugemutet werden müssen, um die Ausfälle durch Steuerflüchtlinge zu kompensieren", heißt es in dem Entwurf aus Brüssel.
Auch die EU-Regierungschefs hatten sich bereits Ende Mai auf ihrem Gipfeltreffen auf den generellen Austausch von Bankdaten verständigt, weil sie nicht länger auf die Einnahmen verzichten wollen. Einen konkreten Beschluss fassten die 27 Regierungs- und Staatschefs allerdings nicht, bis Ende des Jahres wollte man eine entsprechende Entscheidung treffen.
Austausch zwischen allen EU-Staaten
Steuerkommissar Šemeta (Litauen) bringt nun mit seinem Richtlinienvorschlag Bewegung in die Frage, denn er fordert den Austausch unter allen 27 EU-Staaten. Bisher teilen erst 25 Mitglieder Informationen miteinander, und auch hier nur über Zinserträge, Österreich und Luxemburg verweigerten sich.
Nachdem Luxemburg allerdings vor einigen Monaten seinen Widerstand aufgegeben hatte, dürfte die Alpenrepublik nun folgen. Deutschland und andere Länder dringen seit Längerem darauf, dass der Austausch über den bisherigen hinausgehen müsse.
Die nun vorgeschlagene Richtlinie trägt diesem Wunsch Rechnung, indem sie den Austausch auf "Dividenden, Kapitalerträge, anderweitige Finanzeinkommen und Kontenguthaben" ausweitet. Stimmen die EU-Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament dem zu, wären alle Formen der Kapitaleinkünfte betroffen und der Druck auf Steuersünder wesentlich erhöht.
Der Handlungsdruck auf die EU war gewachsen, nachdem die USA eine neue Runde im Kampf gegen Steuerhinterzieher eingeleitet hatten. Die US-Behörden hatten im Rahmen des sogenannten Foreign Account Tax Compliance Act (Fatca) die Herausgabe der Kontodaten von US-Bürgern bei ausländischen Banken durchgesetzt.
Kommission will keine Zeit verlieren
Nachdem die Schweiz, Liechtenstein und auch Österreich sowie Luxemburg mit den USA entsprechende Vereinbarungen besiegelt hatten, war in Zeiten klammer Kassen auch die EU aktiv geworden. "Bilaterale und multilaterale Abkommen bergen eine ganze Reihe von Nachteilen", hält der neue Richtlinienvorschlag fest, auf diese Weise komme es zu Marktverzerrungen. Ein EU-weit gültiges Abkommen, dass die bereits geschaffenen Übertragungswege nutzt, sei daher zu bevorzugen.
Die EU-Kommission will dabei keine Zeit verlieren. "Ein baldiger Beschluss und dessen Umsetzung sind entscheidend dafür, um so schnell wie möglich von den Vorteilen eines solchen Abkommens zu profitieren", so der Vorschlag. Bis Ende nächsten Jahres sollen die EU-Mitglieder entsprechende Gesetze verabschiedet haben, so dass ab 1. Januar 2017 der automatische Datenaustausch erfolgen kann.
"Es ist richtig, dass die EU-Kommission die Entscheidung anschiebt. Nun müssen die Mitgliedstaaten ernst machen und die Ausweitung des Informationsaustausches zügig beschließen", fordern Herbert Reul (CDU) und Markus Ferber (CSU), Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Nach Ansicht der konservativen Abgeordneten stehen dabei besonders Österreich und Luxemburg im Wort, ihren Widerstand aufzugeben und im Rat für den Vorschlag zu stimmen.
Steueroasen sollten einbezogen werden
Noch nicht weit genug geht Reul und Ferber der Kommissionsvorschlag beim Thema Steueroasen. "Genau hinsehen müssen wir auch bei den Briten", verlangen sie und verweisen auf exterritoriale Steueroasen wie die Cayman Inseln. Diese gehörten zwar rein rechtlich nicht zur EU, müssten nach Ansicht der EU-Parlamentarier aber trotzdem voll in den Informationsaustausch einbezogen werden. Sie argumentieren: "Die EU darf sich keine offenen Flanken leisten, wenn wir mit Drittstaaten wie der Schweiz einen vollen Informationsaustausch erreichen wollen."
Der britische Premier David Cameron muss sich diesen Vorwurf gefallen lassen – unter britischer Obhut blühten zahlreiche Steueroasen. Es ist daher kein Zufall, dass Cameron den Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu einem Hauptthema seiner G8-Präsidentschaft gemacht hat.
Diese Themen werden daher auch auf dem G8-Gipfel dominieren, zu dem die Staats- und Regierungschefs der acht führenden Industrienationen und die EU kommende Woche zusammenkommen. In diesem Jahr findet er im nordirischen Lough Erne statt.
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