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Donnerstag, 6. Juni 2013

IWF: Griechenland braucht weitere Schuldenerleichterungen

Europas SchuldenkriseIWF: Griechenland braucht weitere Schuldenerleichterungen

 ·  Der Internationale Währungsfonds (IWF) hält es für nötig, dass die Euro-Staaten Griechenland Schuldenerleichterungen von mindestens 7 Prozent der Wirtschaftsleistung geben. Sonst sei die Schuldentragfähigkeit des Krisenstaates nicht gegeben.
© AFPDie Griechenland-Hilfen sind zurück in den Schlagzeilen. Der IWF räumt „bedeutende Misserfolge“ ein.
Damit Griechenland seine Schuldenlast dauerhaft tragen kann, müssen die Eurostaaten dem Land bis 2022 Schuldenerleichterungen in Höhe von mindestens 7 Prozent der Wirtschaftsleistung gewähren. Das geht aus einem von mehren Berichten des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu Griechenland hervor, den der IWF in der Nacht zum Donnerstag veröffentlicht hat.
Eine Erleichterung von 4 Prozent des BIP bis 2020 hatten die Finanzminister der Euro-Staaten im Dezember schon zugesichert, ohne diese konkret zu spezifizieren. Bis 2022 würden dann weitere Erleichterungen von mindestens 3 Prozent des Bruttoinlandproduktes fällig, heißt es in dem Bericht der IWF-Ökonomen. Die Schätzung beruht auf der aktuellen Schuldentragfähigkeitsanalyse des Währungsfonds und kann sich je nach Entwicklung des Anpassungsprogramms noch ändern.
Die Zusage der Eurostaaten, Griechenland notfalls weitere Erleichterungen zu gewähren, war für den IWF im vergangenen Jahr eine notwendige Bedingung dafür, dass er sich an der Neuauflage des Reformprogramms überhaupt noch weiter beteiligte. Erst vergangene Woche hatte die geschäftsführende Direktorin des IWF, Christine Lagarde, die Europäer an diese Zusage ausdrücklich erinnert.Das Direktorium des IWF hatte vergangene Woche nach einer Diskussion über die Berichte der Auszahlung einer weiteren Kredittranche an Griechenland von 1,7 Milliarden Euro zugestimmt. 

Schuldentragfähigkeit nicht gesichert

Ohne die zugesagten Forderungsverzichte der Europäer ist die Schuldentragfähigkeit Griechenlands nicht gesichert. Ziel ist es, den Schuldenstand Griechenlands bis 2020 auf 124 Prozent des BIP und bis 2022 auf „deutlich weniger als“ 110 Prozent des BIP zu senken.
Nach der aktuellen Analyse des IWF wird der Schuldenstand in diesem Jahr 175,8 Prozent des BIP erreichen. Von 2015 an würde er sinken und einschließlich der Finanzzusage der Euro-Finanzminister 2020 rund 124 Prozent erreichen. Die IWF-Ökonomen betonen in der Schuldentragfähigkeitsanalyse freilich die signifikanten Risiken des Programms. Ohne eine entschiedene Verringerung der griechischen Schulden ließen sich diese Risiken nicht glaubwürdig verringern, heißt es. In einem alternativen Szenario, in dem die Sanierung des Staatshaushalts in Athen nur verzögert gelingt und das Wachstum schwächer wäre, stiege die Staatsschuld zunächst auf mehr als 180 Prozent des BIP und läge 2020 immer noch bei fast 150 Prozent des BIP.
Die Schulden Griechenlands hängen nach Einschätzung des IWF bedrohlich über dem Programm, dem der IWF an anderer Stelle gute Fortschritte bescheinigte. Die Wachstumsrisiken der hohen Staatsschuld könnten es erforderlich machen, dass die Europäer die Erleichterungen früher als bisher geplant leisten müssten, warnen die IWF-Ökonomen in dem Bericht. „Falls Sorgen über die Schuldentragfähigkeit die Stimmung von Investoren belasteten, müsste eine vorzeitige Schuldenerleichterung erwogen werden“, heißt es. Sonst gefährde dies das Wachstum und den Erfolg des Programms. Poul Thomsen, der Missionschef des IWF für Griechenland, redete vor Journalisten dieses Risiko indes klein. Seine Gespräche mit Investoren zeigten ihm, dass die Schuldenhöhe derzeit weniger als Risiko wahrgenommen werde.

Währungsfonds gesteht im Nachhinein Fehler ein

In einem weiteren Bericht zu Griechenland gesteht der IWF ein, dass es im Rückblick in dem Griechenlandprogramm Fehler gegeben habe. Der Reformwille und die Reformfähigkeit des Landes sind danach zu positiv eingeschätzt worden; außerdem waren die Wachstumserwartungen der IWF-Ökonomen zu optimistisch. Das reale Bruttoinlandsprodukt sollte nach dem damaligen Plan bis 2012 nur um 5 Prozent sinken. Tatsächlich war es 17 Prozent niedriger als 2009. Die Arbeitslosenquote sollte im vergangenen Jahr bei „nur“ 15 Prozent liegen. Tatsächlich waren es 25 Prozent. Die Wirtschaft sollte seit 2012 schon wieder wachsen. Nun hofft der IWF, dass Griechenland nach sechs Rezessionsjahren endlich 2014 wieder zum Wachstum zurückfindet.
Der Evaluierungsbericht verdeutlicht, dass die IWF-Ökonomen es im Nachhinein wohl vorgezogen hätten, wenn direkt zu Beginn ein Teil der griechischen Schuld in einer Umstrukturierung erlassen worden wäre. Das wäre auch für Griechenland besser gewesen, heißt es. Die Europäer aber fürchteten damals, dass damit der Euroraum auseinandergebrochen wäre, und blockierten diese Idee. Der Verzicht auf eine Umschuldung gleich zu Beginn habe es vielen privaten Gläubigern erlaubt, zu entkommen, heißt es in dem Bericht.

Programm trotz Risiken „notwendig“

Der IWF betont aber zugleich, dass es auch ohne Umschuldung wegen der Ansteckungsrisiken „notwendig“ gewesen sei, dass Programm zu beginnen. Letztlich kam es dann 2012 nach monatelangen Verhandlungen doch zu einer Umschuldung und einer Neuauflage des Griechenlandprogramms.
Diese Erfahrung lässt den IWF derzeit umso mehr darauf dringen, dass die Euro-Staaten ihre Zusage einhalten, mit weiteren Schuldenerleichterungen die Schuldentragfähigkeit Griechenlands zu garantieren.

Lex Athen im Mai 2010

Der nachträgliche Prüfbericht bezieht sich auf das erste Griechenlandprogramm, das im Mai 2010 aufgelegt und im März 2012 durch das jetzt laufende Programm ersetzt wurde. Der Fonds hatte Griechenland damals den außergewöhnlich hohen Kredit über 30 Milliarden Euro zugesagt, als Teil eines auch von den Euro-Staaten getragenen Gesamtpakets von 110 Milliarden Euro. Gemessen an der Kapitalquote Griechenlands am IWF war der Kredit mit 3213 Prozent der höchste Kredit in der IWF-Geschichte.
Wegen der absehbaren Risiken wollten die IWF-Ökonomen damals keine „große Wahrscheinlichkeit“ aussprechen, dass die Tragfähigkeit der Schuldenlast Griechenlands gegeben sei. Letztlich wurde die Kreditlinie deshalb mit den Ansteckungsgefahren begründet, die von einer drohenden Umschuldung Griechenlands für andere Euro-Staaten und die Weltwirtschaft ausgingen. Dazu hatte der Fonds in einer Lex Athen extra seine Kreditvergabekriterien geändert.
Als Positiva des ersten Griechenlandprogramms heben die IWF-Ökonomen hervor, dass die Regierung in Athen in den ersten Krisenjahren eine drastische fiskalische Restriktion und eine wichtige  Rentenreform durchgesetzt habe. Im ersten Krisenjahr senkte die Regierung das strukturelle  Staatsdefizit, gemessen am BIP, um 8 Prozentpunkte. Auch habe man es geschafft, Griechenland im Euroraum zu halten. Es sei aber nicht gelungen, das Vertrauen der Märkte wiederherzustellen. Die Wettbewerbsfähigkeit habe sich ein wenig durch sinkende Löhne verbessert. Die Hebung der Produktivität habe sich in dem ersten Anpassungsprogramm indes als illusorisch herausgestellt, auch weil die strukturellen Reformen stockten.

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