Europas Steuerzahler retten Hedgefonds
Von MATINA STEVIS
Die Regierungen der Eurozone haben riesige Geldmengen aufgebracht, mit denen sie seit 2010 vier Euroländer über Wasser hält. Mit dem größten Teil davon wurde sichergestellt, dass private Gläubiger ihr gesamtes Geld, das sie an Griechenland, Irland, Portugal und Zypern verliehen hatten, wieder zurückbekommen haben.
Diese Entscheidung war teuer und wird nun zunehmend in Frage gestellt. Zudem wird öffentlich darüber debattiert, Griechenlands Schulden auch auf Kosten staatlicher Gläubiger zu schrumpfen. Dann würden auch die Geberländer der Eurozone tatsächlich Geld verlieren. Griechenland, Portugal und Irland haben bereits mehr Zeit und niedrigere Zinsen eingeräumt bekommen, um ihre Kredite an die europäischen Nachbarn zurückzuzahlen.
Das jüngste Beispiel ist die 10 Milliarden Euro schwere Rettung von Zypern. Von der ersten Rate über 2 Milliarden Euro werden 1,4 Milliarden für die Rückzahlung von Staatsanleihen aufgewendet, die am 3. Juni fällig werden. Aus Gesprächen mit Anleihe-Investoren wird klar, dass die meisten dieser Anleihen im Februar und März von Hedgefonds aufgekauft wurden, als das Land über die Rettung verhandelte.
Diese Investoren kauften die Anleihen deutlich unter ihrem Nennwert und werden nun große Gewinne einstreichen. In der dreijährigen Geschichte der Eurokrise haben Hedgefonds-Investoren gelernt, dass Investitionen in Staatsanleihen für gewöhnlich eine lohnendes Investment sind, wenn eine Regierung der Eurozone gerettet wird.
Im Falle Griechenlands, das im Mai 2012 die größte Umschuldung der Geschichte durchführte, wurden private Gläubiger dank staatlichem Rettungsgeld über zwei Jahre lang schadlos gehalten. Das Land, das immer noch von Rettungsgeldern über 174,5 Milliarden Euro profitiert, bedient bis heute sogar die Investoren, die sich an dem Schuldenschnitt von 2012 nicht beteiligen wollten.
Gläubiger bevorzugt
Dringend benötigte Barmittel für die Bedienung von Gläubigern aller Art aufzuwenden, war nicht nur Griechenlands Entscheidung. Die Eurozone und der Internationale Währungsfonds (IWF) machten deutlich, dass die Rückzahlung an Anleiheinvestoren wichtig ist. Sie bestanden darauf, dass das Rettungsgeld auf ein separates gesichertes Konto fließt, das zuerst Besitzer griechischer Staatsanleihen bedient. Nur Geld das übrig bleibt kann für andere öffentliche Ausgaben genutzt werden – beispielsweise Pensionen oder Lehrergehälter.
„Abgesehen von der herausgezögerten Umschuldung 2012 ist das ein konstantes Muster beim Umgang mit Staatsschulden der Eurozone: Das Geld von Steuerzahlern in Form von Rettungspaketen wurde dazu genutzt, die Besitzer von Staatsanleihen vollständig und pünktlich auszuzahlen", sagte Lee Buchheit von der Kanzlei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton, die renommierte Experten im Bereich der Restrukturierung von Staatsanleihen sind. Er war auch mit der Umschuldung 2012 beauftragt.
IWF sieht Rettungsstrategie zunehmend kritisch
Inzwischen vollzieht sich zumindest bei einem der drei Mitglieder der sogenannten Troika aus IWF, Europäischer Zentralbank und Europäischer Kommission ein Sinneswandel. In einem Bericht vom Mai wirft der IWF die Frage auf, ob es sinnvoll ist, derart große Mengen öffentlicher Gelder dazu aufzuwenden, private Investoren glücklich zu machen. Der IWF bestreitet das bei einem Land, das ohnehin wohl niemals alle seine Schulden zurückzahlen wird.
Der IWF will deshalb „Wege finden, Gelder des Fonds nicht einfach nur dazu zu verwenden, private Gläubiger zu retten" und schlägt eine frühe Umschuldung der Länder vor, noch bevor sie Mittel aus einem Rettungspaket bekommen.
Eine solche Umschuldung hinauszuzögern, argumentiert der Bericht, „wird das Problem des Moral Hazard und der Lastenverteilung noch verschärfen, insbesondere, wenn während dieser Zeit private Gläubiger durch staatliche Gläubiger abgelöst werden."
Nach der neuen Ansicht des IWF ist der Einsatz von Steuergeldern für die bevorzugte Auszahlung privater Gläubiger eine schlechte Idee – sowohl für die Schuldenländer als auch für die Geberländer.
Auch IWF wird von Steuergeldern profitieren
Interessant ist der Zeitpunkt der IWF-Intervention. In diesem Quartal werden die eigenen Kredite an Griechenland fällig und die Steuergelder aus dem Eurorettungsfonds werden dazu genutzt, den IWF auszuzahlen.
Gleichzeitig ruft der IWF die Länder der Eurozone dazu auf, zugunsten von Griechenland Kredite des Rettungsfonds abzuschreiben, um Griechenlands immer noch zu hohe Schuldenlast zu mindern. Der IWF selbst aber hält unterdessen an der Konvention fest, ein bevorzugter Gläubiger zu sein und daher von solchen Maßnahmen ausgeklammert zu sein.
Doch sich selbst bei dieser Abschreibung herausziehen, die offiziell euphemistisch „official-sector involvement" (OSI) genannt wird, könnte für den Währungsfonds schwierig werden. „Jetzt, da OSI unvermeidlich scheint, wird der Fonds sicher dazu aufgefordert, sich zu beteiligen", sagte Buchheit. „Wenn der Fonds sich weigert, bedeutet das ganz einfach, dass die europäischen Steuerzahler die volle Last zu tragen haben. Wenn der Fonds sich bereiterklärt, sich zu beteiligen, ist sein Status als bevorzugter Gläubiger gefährdet. Beide Aussichten sind nicht schön."
Andere wollen noch viel weiter gehen und die von privaten Gläubigern gehaltenen Schulden kürzen, bevor es soweit kommt. Ashoka Mody, Professor an der Princeton University, der bis vor kurzem in leitender Position beim IWF für die Kredite an Irland verantwortlich war, sagte, dass Staatsschulden in anderen Pleiteländern im Vorhinein restrukturiert werden sollten. Damit würde anerkannt, dass sie zu hoch sind, um sie zurückzuzahlen.
Allein der Gedanke daran reicht, um Anleihe-Investoren einen Schauer über den Rücken zu jagen. Milliardenabschreibungen auf Staatsanleihen, die einst als eine der sicherersten Investitionen am Markt und nach den Rechnungslegungsregeln der Europäischen Union als risikofrei galten, wären traumatisch. Bei einer Rede beim Brüsseler Thinktank Bruegel gab Mody zu, dass er keine Antwort auf die Frage habe, was dann als nächstes passieren würde.
„Der Tag danach wird ein schlimmer Tag", sagt er. „Aber noch schlimmer ist warten."
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Würdigung der Sparmaßnahmen
AntwortenLöschenMilliarden für Griechenland freigegeben
Griechenland bekommt vom Internationalen Währungsfonds erneut eine Finanzspritze. Das finanziell angeschlagene Land erhält 1,7 Milliarden Euro. Damit wird anerkannt, dass das Land weitreichende Sparmaßnahmen durchsetzt.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat eine weitere Hilfstranche für Griechenland in Höhe von 1,7 Milliarden Euro freigegeben. Damit zahlte die Organisation bisher 6,6 Milliarden Euro an das südeuropäische Krisenland aus, wie der IWF-Verwaltungsrat in einer kurzen Erklärung mitteilte.
Insgesamt beteiligt sich der IWF mit 28 Milliarden Euro an dem internationalen Hilfspaket, das im Frühjahr 2012 gemeinsam mit der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank vereinbart worden war. Die drei Kreditgeber gewährten Athen Hilfen von insgesamt 173 Milliarden Euro. Im Gegenzug verpflichtete sich der hochverschuldete Staat zu drastischen Einsparungen und umfassenden Strukturreformen.
Der IWF gab die beiden ersten Hilfstranchen im Januar erst nach monatelangen Verhandlungen mit Athen frei. Die Organisation kritisierte, dass die griechische Regierung ihren Verpflichtungen nicht nachkomme. Anfang Mai erkannte der IWF aber an, dass Griechenland bereits "einen weiten Weg" zur Sanierung der Staatsfinanzen zurückgelegt habe.
Samstag, 01. Juni 2013