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Sonntag, 12. Mai 2013
Die ausstehenden Anleihen ausländischer Staaten zerfielen mithin in Anleihen mit Umschuldungsklauseln und solche, bei denen diese Klauseln nicht eingeführt werden könnten. Bei einer Restrukturierung der staatlichen Verbindlichkeiten bliebe eine Anleihegläubigergruppe von Sanierungsbeiträgen befreit, während eine andere Anleihegläubigergruppe per Mehrheitsentscheid Sanierungsbeiträgen ausgesetzt werden könnte.
Dies beträfe nicht nur Unternehmensanleihen, sondern
ebenso vor Inkrafttreten des SchVG begebene Staatsanleihen
ausländischer Staaten, für die deutsches Sachrecht gewählt
wurde. Die bereits vor dem Inkrafttreten des SchVG begebenen
Staatsanleihen unterfielen nicht dem SchVG 1899. Eine
einschränkende Auslegung des §24 Abs. 2 SchVG hätte zur
Folge, dass nur in neue Staatsanleihen CACs eingefugt, alte
Staatsanleihen dagegen diesem Standard nicht angepasst werden
könnten. Die ausstehenden Anleihen ausländischer Staaten
zerfielen mithin in Anleihen mit Umschuldungsklauseln
und solche, bei denen diese Klauseln nicht eingeführt werden
könnten. Bei einer Restrukturierung der staatlichen Verbindlichkeiten
bliebe eine Anleihegläubigergruppe von Sanierungsbeiträgen
befreit, während eine andere Anleihegläubigergruppe
per Mehrheitsentscheid Sanierungsbeiträgen ausgesetzt
werden könnte. Die erforderlichen Mehrheiten für diese Sanierungsbeiträge
würden sich hier jedoch kaum finden, denn
die Gläubiger ohne CACs in ihren Anleihebedingungen würden
von den Sanierungsbeiträgen der Gläubiger neuer Anleihen
mit diesen Klauseln profitieren (zu einer genauen Erklärung
dieses Kollektivhandlungsproblems siehe unten 4.2.2).
Die Beteiligung privater Gläubiger an der Restrukturierung
staatlicher Verbindlichkeiten, wie sie das SchVG ermöglichen
soll, wäre in diesen Fällen ausgeschlossen.
Diese Auslegung würde darüber hinaus die Akzeptanz von
CACs in Neuemissionen beeinträchtigen. Bei künftigen Anleiheemissionen
würden die Anleihegläubiger mit Recht fragen,
weshalb sie CACs in ihren Bedingungen akzeptieren sollten,
wenn ihnen in der Folge die Altgläubiger vorgezogen werden
könnten. Die Folge davon dürfte mindestens die Forderung
von Neugläubigem nach einer dementsprechenden Risikoprämie
sein.
aus:
Theodor Baums/Roland Schmidtbleicher*)
Neues Schuldverschreibungsrecht und Altanleihen
Am 5. 8. 2009 ist das neue Schuldverschreibungsgesetz in Kraft getreten.
Es lässt in weitgehendem Umfang Umstrukturierungen einer
Anleihe, z. B. Änderungen der Fälligkeit oder der Zinshöhe,
Schuldnerersetzungen, Debt Equity Swaps u. a. m., durch Mehrheitsbeschluss
der Gläubigerversammlung zu, wenn die Anleihebedingungen
dies vorsehen (sog. Collective Action Clauses; CAC).
Vor Inkrafttreten des SchVG begebene Anleihen können ebenfalls
durch Mehrheitsbeschluss der Geltung des neuen SchVG unterstellt
werden. Ausdrücklich klargestellt ist dies für die - wenigen - Emissionen,
auf die bereits das alte SchVG von 1899 anwendbar war.
Im Folgenden wird dargelegt, dass dies nach der einschlägigen, allerdings
wenig glücklich formulierten Uberleitungsvorschrift des § 24
SchVG 2009 auch für die weitaus zahlreicheren Fälle gdt, in denen
auf die Altanleihe zwar deutsches Sachrecht, insbesondere die
§§ 793ff. BGB, nicht aber das alte SchVG von 1899 anzuwenden
ist. Diese Frage hat sowohl für Altanleihen privater Emittenten als
auch für umlaufende Anleihen ausländischer Staaten größte Bedeutung.
") Prof. Dr. Dres. h. c. Theodor Baums, Institute for Law and Finance, Goethe-Universität
Frankfurt/M., und Dr. Roland Schmidtbleicher, Frankfurt/M. - Der Aufsatz
ist aus einem Rechtsgutachten zur Anwendbarkeit des SchVG 2009 auf Altanleihen
entstanden. Die sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen betreffen über den
konkreten Fall hinaus die ganz überwiegende Zahl der vor dem Inkrafttreten des
SchVG emittierten Anleihen, so dass eine Veröffentlichunggerechfertigt erschien.
204 Baums/Schmidtbleicher, Neues Schuldverschreibungsrecht und Altanleihen ZIP 5/2012
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