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Samstag, 25. Mai 2013

Insolvenzverfahren «out» Umschuldungen sind generell kein Pappenstiel. So haben Gläubiger einen Anreiz, nicht mitzumachen. Wenn nämlich alle anderen teilnehmen, so das Kalkül eines Trittbrettfahrers, wird das Land wieder zahlungsfähig und kann Forderung vollständig begleichen.


IMF zieht Lehren

Griechenland als Sündenfall

Wirtschaftsnachrichten 
Der Internationale Währungsfonds (IMF) hat die Wirtschaftssituation in Krisenländern wie Griechenland wiederholt viel zu optimistisch eingeschätzt.
Der Internationale Währungsfonds (IMF) hat die Wirtschaftssituation in Krisenländern wie Griechenland wiederholt viel zu optimistisch eingeschätzt. (Bild: Reuters)
Der Währungsfonds habe die Schuldensituation in Krisenländern zu optimistisch eingeschätzt, schreiben dessen Ökonomen selbstkritisch. Umschuldungen würden oft verschleppt und sie fielen zu gering aus, um die Situation zu entschärfen.
Christoph Eisenring, Washington
Der Internationale Währungsfonds (IMF) hat im Fall von Griechenland eine besonders schlechte Figur gemacht. So war er bei der Einschätzung der Wirtschaftssituation wiederholt viel zu optimistisch gewesen. Vor Griechenland durfte ein Land zudem nur Geld vom IMF ausleihen, wenn eine «grosse Wahrscheinlichkeit» bestand, dass es mittelfristig – innert fünf Jahren – die Schulden tragen konnte und es in absehbarer Zeit wieder Zugang zum Kapitalmarkt erhalten würde. Doch für Griechenland konnten die IMF-Ökonomen dies nicht mit gutem Gewissen sagen. Aus diesem Grund weichte das Exekutivdirektorium, dem die Geschäftsführung des IMF obliegt, im Mai 2010 kurzerhand die Zugangskriterien für hohe Kredite auf. Seitdem darf der IMF auch einem Wackelkandidaten einen Kredit gewähren, sofern eine «internationale Ansteckung» befürchtet wird.

«Bail-in» vorgeschlagen

Die Fonds-Ökonomen halten diese Aufweichung jedoch für keine gute Idee, wie eine Auslegeordnung zu den jüngsten Erfahrungen deutlich macht, die am Montag vom Board diskutiert wurde. Es möge zwar gute Gründe geben, die Ansteckungsgefahr zu berücksichtigen. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass der IMF einem Land mit untragbaren Schulden einen Kredit einräume, ohne dass die Schuldenproblematik angegangen würde. Empfohlen wird stattdessen, die Ansteckungsgefahr mit spezifischen Instrumenten zu bekämpfen. Dazu gehört, dass Länder Banken, die stark in Anleihen eines Krisenstaates investiert haben, vorsorglich rekapitalisieren, dass eine Brandschutzmauer errichtet wird und die Notenbank Liquidität bereitstellt. Die Aufweichung der Zugangskriterien für IMF-Kredite sollte jedenfalls überdacht werden, schreiben die IMF-Ökonomen. Doch man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Im Exekutivdirektorium sitzen Vertreter von 24 Länder, bzw. Ländergruppen, darunter eine starke Abordnung aus EU-Staaten. Mit einem Schritt zu härteren Kriterien ist nicht zu rechnen.
Eine weitere Lehre aus den weltweit neun Umschuldungen seit 2005 sei, dass oft zu spät und zu wenig umgeschuldet werde, schreiben die Experten. Hier müssen sie sich jedoch selbst an der Nase nehmen. So ist daran zu erinnern, dass der Direktor für Fiskalpolitik beim IMF, Carlo Cottarelli, im September 2010 in einem Arbeitspapier argumentierte, dass ein Schuldenschnitt in den europäischen Krisenländern «unnötig, unerwünscht und unwahrscheinlich» sei. Hier hätte die Analyse also selbstkritischer ausfallen dürfen. In fünf der neun Fälle waren zwei oder mehr Umschuldungen nötig. Und nur ausnahmsweise wurde die Schuldentragfähigkeit wieder erreicht.
Der IMF müsse auch aufpassen, dass seine Kredite nicht primär dazu dienten, private Gläubiger schadlos zu halten. Auch dies ist eine Lehre aus dem Fall Griechenland, wurden doch fortwährend private Gläubiger durch den IMF und den Rettungsfonds der Euro-Zone abgelöst. Die Fonds-Ökonomen schlagen deshalb eine Art «Bail-in» vor: Wenn das Land den Zugang zum Kapitalmarkt verloren habe, müsse sichergestellt werden, dass die Gläubiger nicht aussteigen, während der IMF Geld überweise. Im Vordergrund soll dabei die Verlängerung der Laufzeiten von Obligationen stehen. Das Mitmachen wäre zwar freiwillig, doch müssten die Gläubiger begreifen, dass der IMF nur bei der Stange zu halten sei, wenn die Verlängerung gelänge. Allerdings stellt sich die Frage, wie glaubwürdig eine solche «Drohung» wäre, da der IMF ein Land in Not nicht einfach im Stich lässt.

Insolvenzverfahren «out»

Umschuldungen sind generell kein Pappenstiel. So haben Gläubiger einen Anreiz, nicht mitzumachen. Wenn nämlich alle anderen teilnehmen, so das Kalkül eines Trittbrettfahrers, wird das Land wieder zahlungsfähig und kann Forderung vollständig begleichen. Um ein solches Verhalten zu verhindern, hat der IMF 2003 ein Insolvenzverfahren für Staaten vorgeschlagen, das auch von der Schweiz unterstützt wurde. Doch die USA sprachen sich damals dagegen aus. Eine solche Institutionalisierung hat seither keine neuen Freunde gewonnen, wie aus der Diskussion im Direktorium hervorgeht. Laut einer Mitteilung wollen nur «einige» (5–6) der 24 Exekutivdirektoren die Idee wiederbeleben.
Bessere Chancen haben sogenannte Collective Action Clauses (CAC). Dies sind Klauseln in Anleiheverträgen, die eine Umschuldung erlauben, sofern die Gläubiger mit einem bestimmten Quorum – oft drei Viertel – zustimmen. Wird diese qualifizierte Mehrheit erreicht, bindet dies auch oppositionelle Gläubiger. Allerdings zeigt gerade Griechenland auch die Grenzen der CAC auf. Von den 205 Mrd. € Schulden wurden 7,3% nach englischem Recht mit CAC begeben (der Rest nach griechischem Recht, die vollständig restrukturiert wurden). Dabei handelte es sich um 36 Emissionen. Davon konnten jedoch nur 17 restrukturiert werden. Das Quorum muss nämlich für jede einzelne Emission erreicht werden. Trittbrettfahrer können somit versuchen, an kleinen Emissionen einen hohen Anteil zu erwerben und die Umschuldung für diesen Teil zu blockieren.
Durch eine Aggregation der Stimmen über alle Emissionen hinweg liesse sich das Trittbrettfahrerverhalten weiter einschränken. So könnte ein Land in Anleiheverträgen zum Beispiel festhalten, dass eine Umschuldung dann gelingt, falls 75% der Gläubiger aller ausgegebenen Anleihen dies gutheissen. Bei den CAC neue Standards zu entwickeln, ist somit ein gangbarer Weg. So enthalten die von Euro-Ländern neu emittierten Anleihen seit Anfang Jahr solche Klauseln.

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