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Mittwoch, 8. Mai 2013

„Eine Klage gegen die EZB ist unausweichlich“


GASTBEITRAG„Eine Klage gegen die EZB ist unausweichlich“

Unabhängig wie das Bundesverfassungsgericht zum rechtwidrigen EZB-Anleihekaufprogramm steht, sollte Deutschland die Initiative ergreifen und die Zentralbank vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Ein Gastbeitrag.
Jörg Uwe Hahn (FDP) ist stellvertretender Ministerpräsident von Hessen und Europaminister. Quelle: dpa
Jörg Uwe Hahn (FDP) ist stellvertretender Ministerpräsident von Hessen und Europaminister.Quelle: dpa
Beim Geld hört die Freundschaft auf, heißt es. Die in wenigen Wochen anstehende mündliche Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über die Klagen gegen den Euro-Rettungsschirm ESM und das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) hat das Potential, einige Freundschaften in Europa gehörig auf die Probe zu stellen. Mit Recht! Denn es geht nicht zuletzt um die Stabilität unseres Geldes. 
Zu einer Freundschaft gehört Vertrauen. Dieses scheint zwischen der Bundesbank und der EZB gehörig zerrüttet. Kann man sich in Europa noch darauf verlassen, dass alles nach Recht und Gesetz zugeht? Man hat das Gefühl, als ob sich das oft zitierte Demokratiedefizit zu einem Vertrauensdefizit erweitert, selbst unter den Akteuren.
Hatte es in den ersten Jahren der gemeinsamen Währung nur wenige gekümmert, dass Deutschland und Frankreich dieses Vertrauen ins Recht mit hegemonialem Duktus geschwächt und die Währung zum Gegenstand der Politik gemacht haben, hinterließ die politische Entscheidung des Beitritts Griechenlands zum Euro schon bei weitaus mehr Menschen ein ungutes Gefühl. Eine Zäsur ganz anderer Qualität war dann die Entscheidung der EZB, wenig werthaltige Staatsanleihen mit frisch gedrucktem Geld zu erwerben – eine unverhohlene Staatsfinanzierung verbunden mit dem Risiko einer Inflation.  

Welche Waffen die EZB noch in ihrem Arsenal hat

Nach vielen Entscheidungen, bei denen es im Wesentlichen um die Grenzziehung des Austauschprogramms „Souveränität gegen Beteiligungsrechte“ ging, verhandelt das Bundesverfassungsgericht in dieser Sache auch eine anders gelagerte Fragestellung. Wie gehe ich als Mitgliedstaat mit einer mutmaßlichen Kompetenzüberschreitung eines Organs der Europäischen Union um? Hat eine dauerhafte Billigung eines solchen Vorgehens gar den Charakter einer faktischen Vertragsergänzung? 
Üblicherweise wird an dieser Stelle auf die Unabhängigkeit der EZB verwiesen. Da machen es sich viele zu leicht. Denn diese Unabhängigkeit gilt eben nur innerhalb des Mandates der EZB. Mit der Entscheidung, aktiv in die Krisenbewältigung einzugreifen, hat sich die EZB selbst zum politischen Akteur ernannt und damit die Vertrauensfrage aufgeworfen. 
Ich halte jede Art von Euro-Austritts-Vorschlägen für völlig verfehlt und im europäischen Sinne unsolidarisch und rückwärtsgewandt. Europa ist mehr als der Euro, aber der Euro ist das Symbol für die Europäische Idee geworden ist. Wer aus dem Euro aussteigen will, greift deshalb direkt die europäische Idee an. Mein Vorschlag ist, den Kampf um die gemeinsame Währung mit der Rückkehr zum Prinzip Recht und Vertrauen zu führen.
Eine der Möglichkeiten auf diesen Weg wäre zum Beispiel, das Instrument der Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) offensiver in den Fokus zu rücken. Artikel 263 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union ließe eine solche Klage durch einen Mitgliedstaat zu, ausdrücklich auch gegen Handlungen der EZB.
Zugegeben, hört sich eine Klage Deutschlands gegen die unabhängige Zentralbank auf den ersten Blick irritierend an. Aber haben wir im nationalen Kontext Probleme damit, Verfassungsorgane zu verklagen? Stellt uns das Grundgesetz nicht eine Vielzahl von Klagemöglichkeiten zur Verfügung, um Handlungen des Staates am Maßstab des Grundgesetzes zu messen? Warum also diese Hemmung, vergleichbares auf europäischer Ebene zu unternehmen? Ich will ein Stück weiter gehen. Ist es nicht gar ein verfassungsrechtliches Gebot, solche Maßnahmen zum Erhalt der Stabilität unserer Währung zu ergreifen?
Unsere europäischen Partner haben weniger Bedenken, ihre Interessen auch im Wege einer Klage durchzusetzen. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgen wir in Hessen zum Beispiel die anhängigen Klagen Großbritanniens und Luxemburgs gegen die Einführung der Finanztransaktionssteuer. 

EZB-Anleihe-Programm zur Lösung der Euro-Krise


Was wäre von einer Klage vor dem EuGH zu erwarten? Seit Beginn an kämpfen die europäischen Gerichte mit dem Vorurteil, sie gingen nicht kritisch genug mit den Unionsorganen um. Hier hat sich aber in letzter Zeit vieles geändert. Im letzten November hat der EuGH in der Sache Pringle/ESM eine sehr pragmatische Entscheidung getroffen. Zwar hat er den ESM im Ergebnis europarechtlich genehmigt, Europa und die Kommission haben dafür aber reichlich kompetenzrechtlichen Blutzoll leisten müssen.
Mit der Begründung, Währungspolitik sei auch immer Wirtschaftspolitik und falle deshalb in die geteilte Zuständigkeit, hat der EuGH die praktische Brücke zur Renationalisierung der Währungspolitik halb geschlagen. Diesen Gedanken fortführend kann ich mir eine starke Beachtung der Position der Bundesbank in einer solchen Entscheidung durchaus vorstellen. Ich will die Frage deshalb anders stellen: Gibt es eine Lösung ohne den Europäischen Gerichtshof?
So sehr Herr Weidmann gegen den Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB kämpft, bleibt seine Stimme auf europäischer Ebene ungehört. Daran würde eine Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Bundesbank sich an weiteren Ankäufen nicht mehr beteiligen darf, wenig ändern. Denn spätestens dann würde die EZB genötigt, ihrerseits die Bundesbank auf Umsetzung der Beschlüsse vor dem EuGH zu verklagen. So gesehen, wäre auch eine sehr klare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - im Sinne der Bundesbank - nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. 

Die EZB als entscheidende finanzpolitische Macht


Beim Geld hört die Freundschaft auf. Die Diskussion um den Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB beweist dies sehr klar. Anders als im Nachbarschaftsstreit geht es hier aber um den Fortbestand des Vertrauens in die Europäische Union und ihre Institutionen. Nichts würde der Sache mehr schaden als divergierende Entscheidungen der obersten Gerichte! Bei Geld hört die Freundschaft auf, aber Vertrauen erhält sie. Recht schafft Vertrauen. Deshalb ist der Weg nach Luxemburg für mich unausweichlich. Am besten noch vor der mündlichen Verhandlung im Juni. 

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